die neue Welt lässt sich nur mit Drogen und Musik ertragen

Es gibt keinen Sex, Kinder werden nicht geboren sondern entkorkt, alles ist irgendwie gleich, kein Shakespeare, kein Bach, kein Beethoven, dafür Soma, eine synthetische Droge, die wahlweise oral verabreicht oder inhaliert wird. Das ist die schöne neue Welt wie Huxley sie einst skizziert hat. In einer Inszenierung von Alban Renz hat das Theaterjugendorchester in Kooperation mit der Jugendkunstschule im Kreativhaus, der Westfälischen Schule für Musik, der Musikhochschule und dem Sinfonieorchester Münster gestern die Premiere des Musicals „Brave new world“ von Achim Giesler und Volker Ludwig im Kleinen Haus aufgeführt. Die musikalische Leitung oblag Thorsten Schmid-Kapfenburg.

Ich möchte vorausschicken, wie begeistert ich bin, mit wieviel Energie, Liebe und Freude sich diese jungen Menschen da präsentiert haben. Als ganz zum Schluss auch noch die vielen Oboen, Flöten, Violas nach vorne kommen, die durch einen Vorhang nur zu erahnen waren, und neben Gammas und Alphas stellen, mag man ermessen, dass die Probenarbeit auch eine unglaubliche logistische Herausforderung dargestellt haben mag und Disziplin verlangte.

Aber vielleicht doch besser der Reihe nach: Huxley hat die Welt in Alphas, Betas, Gammas, Epsilons eingeteilt. Die Menschen haben nur virtuellen Sex, indem ihre Chips „kopulieren“. Ansonsten wird halt Soma konsumiert – das muss reichen, und das reicht auch. Fröhlich wird gesungen, alles immer schön im Chor, denn Individualität ist schließlich auch verpönt. Aber die Menschen kennen es auch nicht anders. Nur wenige Alphas spüren zumindest, dass etwas fehlt. Wenige wie der Wissenschaftler Bernhard Marx (Sönke Westrup) von der Brut- und Normzentrale Berlin, der im Duett mit Helena Watson (Sara Movahedian), die ebenfalls eine leitende Funktion bekleidet, singt „Wir sind nicht normal“, natürlich unter tatkräftiger Begleitung des Orchesters. Am liebsten möchte man mitsingen, so eingängig ist die Melodie und der ein oder andere dürfte sich auch nicht normal fühlen. Bernhard Marx hat sich trotz Chip doch irgendwie verliebt in eine Beta, Lenina (Mia Sprick). Mit List bekommt er vom Präsidenten Benedikt Danone (Konstantin Schumann) einen Urlaubsschein für eine Reise nach New Mexico. Die Reise geht per Flugzeug, ein kleines Gefährt mit Pilotin, das von Epsilons über die Bühne geschoben wird. Gleichzeitig wird auf den Vorhang vor dem Orchester ein Film projiziert, ein Film über karge Felslandschaften, dazu der Kommentar von Bernhard Marx „Dies Ameriika (mit langem i) war uns mal überlegen“. Da muss die Beta staunen. Im fernen New Mexico lernen Alpha- und Beta-Gespann schließlich ein ganz anderes Leben kennen, Mütter, die ihre Kinder säugen und die sich wohl auch auf andere Art reproduziert haben. Überhaupt hat das Wort „Mutter“ bislang eher einen kleinen Brechreiz verursacht. Daran muss man sich erst gewöhnen. Und dann lernt das Paar aus der neuen Welt dort auch noch die Ex-Freundin des Präsidenten kennen, die inzwischen einen erwachsenen Sohn hat. Zusammen geht es schließlich zurück in die neue Welt, die Welt aus Soma und Chips.Immer wieder gibt es tolle Gesangs- oder auch Tanzeinlagen, begleitet von einem lebhaften, omnipräsenten Orchester. „Daheim“ kommt es kommt zum großen Showdown.

Zwei Stunden erstklassige Unterhaltung.

Schreibe eine Antwort

Navigiere