diesmal ist es Frankreich

Selten stößt ein Sinfoniekonzert in Münster auf soviel Interesse, selbst die oberen Ränge sind gut gefüllt. Liegt das am Solisten, dem Cellisten Jan Vogeler, der möglicherweise ein Frauenschwarm ist? Liegt es an den Komponisten? Oder hat sich einfach herum gesprochen, dass hier tolle Musiker am Werk sind? Jedenfalls erklärt Dirigent Golo Berg schon bei der Einführung ins siebte Sinfoniekonzert, dass „wir eine Tradition aus den ersten beiden Konzerten wiederaufnehmen.“ Da bestand das Konzept nämlich darin, ein Land zum Bindeglied zu machen. Nach China und Schottland folgt jetzt Frankreich.

Und da geht es gar nicht so sehr um das Land selbst, etwa geografische Besonderheiten, sondern vielmehr um die gespielten Komponisten, die allesamt aus dem Land unseres westlichen Nachbarn kommen. Camille Saint-Saens, Maurice Ravell, Claude Debussy. Den Anfang macht ein anderer, nämlich Georges Bizet, der seine erste Sinfonie im Alter von 17 Jahren schrieb. Allerdings ließ er die in der Schublade verschwinden, sodass sie erst gut 80 Jahre später gespielt wurde. Berg bezeichnet die gespielte Sinfonie Nr.1 als schwerelos, gefüllt mit Lebenslust. Und so wirkt auch das Orchester. Irgendwann setzt die Oboe ein und die Streicher zupfen ihre Saiten nur, zwischen den Instrumenten herrscht eine lebhafte Kommunikation, das wirkt alles locker, frei und ungezwungen, so als ob niemand eine Regieanweisung gegeben hat. Gerade 25 Minuten spielt das Orchester. da wird bald schon der Resonanzboden, eine kleine Holzbühne, von zwei Bühnenarbeitern hereingetragen die ihre Sache übrigens gut machen, gelassen ohne jegliche Hektik oder Eile. Zeit für Jan Vogeler, der zunächst wirkt, als wollte er sein Cello zersägen – so energisch geht er zu Werk, beugt immer wieder seinen Oberkörper vor und fixiert mit den Augen Konzertmeisterin Midori Goto. Und schon wird das Spiel langsam und emotional, der Blick wandert zu anderen Streichern und schließlich zu Golo Berg. Man kann sich ganz in diese Musik fallen lassen, so schön und Wohlfühlen erzeugend. Da wird einem warm und man wünscht sich einfach, dass alle weiterspielen mögen und niemals aufhören. Und weil Vogeler sich gut ins  Auditorium hereinversetzen kann, gibt es eine besondere Zugabe, den Schwan aus dem Karneval der Tiere von Camille Saint-Saens, den die Konzertbesucher noch im Foyer summen.

Nach der Pause geht es mit Maurice Ravels „Alborada del gracioso“ weiter, Musik, die man morgens spielt, wie Golo Berg erklärt. Und wohl weil Ravel unweit der spanischen Grenze geboren wurde, hat er eine Vorliebe für alles Spanische, da dürfen die Kastagnetten natürlich nicht fehlen. Toll, wie sich immer wieder einzelne Instrumente, Fagotte, Oboe, Flöten Gehör verschaffen, um urplötzlich in einen homogenen, orchestralen Klang zu wechseln, an dem sich auch zwei Harfen beteiligen. Wunderschöne Musik, die im Anschluss mit Claude Debussys „La mer“ zu einem rundum gelungenen Abend abgerundet wird. Da hat das Orchester zwischendurch instrumentell aufgerüstet, eine Tuba ist mit von der Partie und weitere Bläser. Debussy hat sich seinerzeit von Musik aus Indochina inspirieren lassen, Originales spielt Musikdramaturg Fredrik Wittenberg in der Einführung vor, es gilt, die Elemente im Konzert wiederzufinden. „Natürlich“, sagt Wittenberg „hat Debussy das nicht einfach reinkopiert“. Diese für uns fremde Musik wird jedoch mit orchestralen Mitteln nachgebildet. Wie das Meer ist die Musik ruhig und aufbrausend, bildet Schaumkronen und Wellenbrecher, fällt in sich zusammen und ist glatt. Eine Herausforderung für Dirigenten und Orchester, die mit Bravour gemeistert wird.

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