mit der Violine in den Himmel

Liegt es an der Auswahl der Komponisten oder an der Solistin, dass das siebte Sinfoniekonzert außergewöhnlich gut besucht war? Ludwig van Beethovens Konzert für Violine und Orchester zieht natürlich, insbesondere wenn die Konzertmeisterin Midori Goto an der Violine ihr letztes Konzert als Solistin gibt. Ich glaube, ich verrate kein allzu großes Geheimnis, wenn ich sage, dass Gotos Platz später großflächig mit Rosen bestreut war. Und natürlich kann es dann nur einen geben, der dem Orchester den Takt vorgibt: Generalmusikdirektor Golo Berg ließ sich das nicht nehmen, auch als das Orchester nach der Pause Franz Schuberts siebte und letzte seiner vollendeten Sinfonien spielte.

Bevor Midori Goto, die bereits seit 1987 Konzertmeisterin am Theater Münster ist und zum Ende der Spielzeit in den Ruhestand geht, leichtfüßig samt ihres Instrumentes die Bühne betritt, spielt das Orchester Beethovens Fidelio-Ouvertüre, die letzte von insgesamt 4 Ouvertüren zu Beethovens einziger Oper, kurz, knackig, mit Wumms, vielleicht sogar mit Doppel-Wumms. Da kann sich das Publikum schon mal drauf einstellen, was es erwartet. Und dann kommt Goto, im dunkelblauen Samtkleid, spielt ihre Violine klar, sicher, intellektuell ohne allzu große Emotionen, die dafür das Orchester zeigt. Ein Eisblock im Kinderbad, zumindest ein Temperaturunterschied. Mit fortdauernder Spielzeit kehrt sich das aber um, die Solistin spielt sich in einen kleinen Gefühlsrausch, während das Orchester sachlich wirkt. Das ist faszinierend zu beobachten oder besser zu hören. In diese Emotionen auf der Geige, die geradewegs in den Himmel zu führen scheinen, tropfen Perlen von Wasser, Blut, Glück. Es sind die Streicher, die ihre Saiten zupfen. Das fast vollbesetzte Haus hält den Atem an. Ich kann sehen, wir Golo Berg mit der linken Augenbraue dirigiert und vermute, dass er das mit der rechten auch macht – nur kann ich das von meinem Platz aus nicht sehen. Zurecht gibt es im Anschluss standing ovations – und natürlich eine emotionale Zugabe.

Nach der Pause spielt das Orchester die Große C-Dur-Sinfonie von Franz Schubert, der Beethoven zeitlebens verehrt hat. Vielleicht war diese Verehrung Grund dafür, dass Schubert „seinen sinfonischen Weg“ nur mühsam gefunden hat. Viele Fragmente und abgebrochene Versuche belegen jedenfalls, dass er sich schwer tat mit einer eigenen Sinfonie. Umso schöner ist diese siebte und letzte von ihm, die mit einem Hornklang beginnt, noch dazu wenn sie von einem so großartigen Orchester dargeboten wird. Golo Berg ist in seinem Element, große Bögen und kleine Zeichen. Die Musik füllt das Auditorium derart aus, dass viele Besucher versehentlich schon nach dem ersten Satz – Allegro ma non troppo – applaudieren, was man ja eigentlich nicht macht, weil es mitten im Werk ist. Aber schon nach dem zweiten Satz – con moto – hat das Publikum gelernt. Eine ganze Stunde dauert diese Sinfonie, tolle Musik, die man live erleben muss und auch hier erheben sich – manche mühsam – die Menschen aus Respekt vor der Leistung.

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