Hamlet an Silvester

Kurz vor Kriegsausbruch will ein Theater in Warschau ein Stück über Hitler aufführen. Doch das Konzept fällt durch die Zensur. Was jetzt? fragt sich das Ensemble. Muss also doch ein Klassiker herhalten. Nach subtiler Drohung des Hauptprotagonisten Josef Tura, er könne auch anderswo auftreten, einigt man sich schnell auf dessen Vorschlag, Shakespeares Hamlet zu inszenieren. „Sein oder Nichtsein“ heißt die Komödie von Nick Whitby in einer Inszenierung von Christian von Treskow. Damit schließt das Theater Münster sein diesjähriges Bühnenprogramm.

Natürlich ist klar, wer den Hamlet gibt. Selbstverliebt und beeindruckt vom eigenen Talent, mit passendem Beinkleid und Totenkopf zelebriert Josef Tura die berühmten Sätze. Dabei wollen sie so richtig gar nicht den Mund verlassen. Diese unglaubliche Egozentrik, alles nur auf sich selbst zu beziehen, selbst den Kriegsausbruch unterzuordnen, spielt Ilija Harjes perfekt. Aber auch Ulrike Knobloch als Josefs Frau Maria, ebenfalls Schauspielerin, macht das großartig. Während ihr Mann sich darum bemüht, das meiste Licht des Applauses abzubekommen, sammelt Maria Tura Blumensträuße, die offensichtlich von einem jungen Flieger stammen, der sie verehrt. Derart begehrt und gewertschätzt ermuntert Maria den Verehrer, der Eifersucht des Gatten aus dem Weg zu gehen, indem er immer dann, wenn Hamlet seine große Soloszene hat, in ihre Garderobe kommt. Natürlich stört sich aber Hamlet daran, dass ausgerechnet dann ständig jemand in der ersten Reihe mit Blumen in der Hand aufsteht und rausgeht.

Es gibt allerlei Irrungen und Wirrungen in diesem Stück, denn nach Kriegsausbruch und Besetzung von Polen durch Nazideutschland, müssen die Theater besonders vorsichtig sein mit dem, was sie spielen. Für meinen Geschmack übertreibt es das Ensemble etwas mit der Persiflage des Hitlergrußes. Da wird  mal mit links statt mit rechts gegrüßt oder der ausgestreckte Arm in der Tür eingeklemmt. Andererseits sind gerade Gerhard Mohr als Gruppenführer Erhardt im Zusammenspiel mit Louis Nitsche als Sturmführer Schulz besonders erheiternd. Hat der eine Angst, unglückliche Einzelheiten könnten direkt dem Führer übermittelt werden, überschlägt sich die Stimme des anderen beim Kadavergehorsam.

Professor Silewski ist Spion der Gestapo und will eine Liste mit polnischen Untergrundkämpfern übermitteln, was das Ensemble unbedingt verhindern muss. Und tatsächlich gelingt es auch, den Professor auszuschalten. Aber ach, neues Ungemach droht. Und da zeigt dann Josef Tura auch seine wahre Größe.

Ein unterhaltsames, schnelles Stück mit einem großen Torbogen auf einer drehbaren Bühne, der sowohl von der Quer- als auch von der Längsseite bespielt wird. Man hätte aber gut und gerne ein paar Slapstick-Einlagen weglassen können.

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