das hätte Kurt Weill bestimmt gefallen

Ein Mietshaus in New York mitten im heißen Sommer, die Nachbarn auf der Straße tratschen nicht nur über die Hitze sondern auch über Anna Maurrant, der ein Verhältnis mit dem Milchmann Mr. Sankey unterstellt wird. Daniel Buchanan flitzt aufgeregt von seiner Wohnung über den Platz, er wird gerade Vater, zum achten mal. So beginnt gestern Abend die Kurt-Weill-Oper „Street Szene“ in einer Inszenierung von Hendrik Müller und unter musikalischer Leitung von Stefan Veselka.

Ein grandioses Bühnenbild nimmt die Zuschauer sofort ein. Im Bühnenrücken befindet sich eine riesige Spiegelfläche, die leicht gekippt ist und – für das Auditorium sichtbar – den Boden zeigt. Dort ist eine Häuserfassade sichtbar. Wenn die Opernsänger also auf dem Boden liegen, wirkt es für die Zuschauer, als ob sie im Fenster säßen oder am Sims hängen oder klettern. Im Liegen singen – das dürfte den Opernsängern einiges abverlangen. Gut vorstellbar, dass sie Rifail Ajdarpasic das übel genommen haben, denn der zeigt sich für die Bühne verantwortlich. Für die Zuschauer ist es ein beeindruckender Genuss. Auf der rechten Bühnenseite befindet sich der Drugstore, ein Wohnwagen mit Lämpchen und Durchreiche, links ist die U-Bahn-Station „Nothing“, aus der Annas Ehemann Frank Maurrant nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause kommt – großartig gesungen von Gregor Dalal, der das Hohelied gegen Veränderung schmettert. Alles soll bleiben wie es ist. Selbstverständlich hat er die Hosen an. Anna möge sich doch mehr um die Kinder kümmern, wo Rose denn sei, die fast erwachsene Tochter und Willie, der pubertierende Sohn. Ach Anna, wie sehr sehnt sie sich nach Zuneigung, nach Liebe und Nähe, zumindest nach Aufmerksamkeit. Die große Gesangsrolle an Dalals Seite füllt Kristi Anna Isene, sehnsuchtsvoll und emotional. Einziger Trost ist da der Milchlieferant Mr. Sankey, der mit freiem Oberkörper wohl ein bisschen Erotik transportiert und deshalb von der Nachbarschaft als Nebenbuhler hochstilisiert wird.

Und dann gibt es noch ein zweites (Gesangs-) Paar, das herrlich passt: In der Rolle von Rose Maurrant ist es Kathrin Filip, die zunächst auf der Suche ist mit allen Irrungen und Wirrungen, die das Leben so mit sich bringt, sich dann verliebt aber nicht richtig traut wegen des dominanten Vaters und schließlich in ein tiefes Loch fällt, als das Schicksal unbarmherzig zuschlägt. Ihr zur Seite singt Garrie Davislim als Sam Kaplan, verliebt, schmachtend, fordernd. Ihn hatte Intendant Ulrich Peters vor Beginn der Premiere als nicht ganz gesund bezeichnet und erklärt, man hätte die Besucher nach Hause schicken können, wenn Davislim ganz ausgefallen wäre. Immerhin übernimmt der ja einen wichtigen Teil in der Inszenierung, bietet er Rose doch einen Ausweg.

Als die Dramatik dann nach der Pause so richtig an Fahrt gewinnt, setzt auch der Opernchor von ganz oben unter dem Dach ein, vielstimmig und gut beleuchtet, eine imposante Verortung

Lieblingspaar des Publikums ist indes ein ganz anderes, was zweifellos nicht nur an der kurzen, engen  Lederhose von Kara Kemney als Mae Jones liegt. Zusammen mit Jendrik Sigwart verkörpert sie das Outlaw-Paar, schnoddrig vor allem Sigwart als Dick McGann, wie er da so überhaupt keine Hemmungen hat, im Beisein seiner Freundin auch Rose anzubaggern, wie er biertrinkend und sich übergebend auf die Bühne kommt und Mae Jones küsst. Aber die beiden singen und tanzen eine schöne Choreografie und man nimmt ihn auch die Leidenschaft ab bis hin zum „fick mich“.

Ein schöner Opernabend.

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