musikalische Emotionen im lachsfarbenen Kleid

Bevor Midori Goto als Solistin zur Violine greift und im Großen Haus nach einem langen Intro des Orchesters endlich zeigen kann, was in ihr steckt, gibt es zunächst César Franck auf die Ohren. „Le chasseur maudit“ heißt es da unter musikalischer Leitung des 1.Kapellmeisters Henning Ehlert, der seine Sache ausgesprochen gut macht beim 3.Sinfoniekonzert, spritzig, dynamisch, charmant.

Aus dem Französischen übersetzt heißt der Titel „der verfluchte Jäger“. Es geht um einen Mann, der trotz Warnungen sonntags auf die Jagd geht. 16 Minuten Musik, Zeit für Kirchenglocken und Hörner, Warnungen durch die tiefen Töne des Fagott, fliehendes Wild, galoppierende Hirsche und immer wieder die Aufbruchstimmung. Es ist Sonntag. Natürlich geht die Sache übel aus, quasi der fliegende Holländer des Waldes. Unglaublich, was das Orchester in der kurzen Zeit transportieren kann, ein geballtes Füllhorn an Emotionen. Wobei die richtigen, tiefen Emotionen zeigt Münsters erste Geige Midori Goto, heute als Solistin, im schwarzen Bolero und lachsfarbenen Kleid. Wie sie da steht und geduldig wartet auf ihren Einsatz, während das Orchester beinahe wütend spielt wie ein Hai im Becken, der nicht raus kann, um seine Nahrung an Land zu verspeisen. Henri Vieuxtemps, der nach Paganini berühmteste reisende Geigenvirtuose, hat 7 Violinkonzerne geschrieben, das vierte und bekannteste wird gespielt. Goto hebt sich farblich ab vom schwarzgekleideten Orchester und auch musikalisch ist da etwas trennendes, das aber schnell miteinander verschmilzt. Die Musik ist sehr opernhaft, geradezu lyrisch, dramatisch und ich bewundere Goto, wie sie da so schnell und sicher den Bogen führt, für Geiger*innen gehört Vieuxtemps zu den Größten. Im Alter von gerade 6 Jahren spielte er in seiner Heimatstadt schon Violinkonzerte, mit 9 begann er sein Studium, kein Wunder also, wenn seine Musik anspruchsvoll ist mit festen Wurzeln in der Pariser und Wiener Klassik, vor allem aber bei Beethoven.

Nach der Pause gibt es dann nochmal César Franck. diesmal aber eine ganze Sinfonie, und zwar die Sinfonie d-Moll, drei Sätze, die sehr verschieden sind. Im ersten Satz kontrastieren ruhige, warme Passagen noch mit energischen, kraftvollen, dann im zweiten zupfen die Streicher und auch die Harfe gesellt sich hinzu, ruhig, langsam, emotional, bevor es dann selbstbewusst und stark weitergeht. Francks zwei Seelen, die deutsch-belgische Abstammung zum einen, Studium und Leben in Paris zum anderen, treffen sich in seiner Musik. Tänzerische Verspieltheit und Gedankenschwere, ein tolles Konzert mit großartigen Musiker*innen.

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