von bröckelndem, fransendem Schatten

Licht und Schatten, schwarz und weiß, Yin und Yang. GOP-Geschäftsführer Werner Buss betritt gestern Abend scherzend die Bühne „der Bus kommt spät“, um gleich im Anschluss das Thema der neuen GOP-Show zu nennen. Um Dualität geht es in „Sombra“ unter der Regie von Nikos Hippler in einem wie immer international besetzten Ensemble, und Buss wirkt noch ganz vereinnahmt von den Proben am Nachmittag. Liebe ist der Kern von Sombra, wenngleich es die kaum ohne Traurigkeit gebe. Ein emotionales, artistisches, auch erotisches Spektakel brennen die Akteure in den folgenden zwei Stunden ab – das kann man vorausschicken. Eine Premiere, die Superlative verdient.

Im Hintergrund sind weit über 100 Styroporquader aufgeschichtet, in die eine Tür eingelassen ist. Farbig beleuchtet werfen sie kleinere Schatten und bilden den idealen Background für fließende, anmutige, spannungsgeladene Bewegungen vom Duo Gema und Miguel, das aus Madrid kommt. In der Luft schwebend, mit einem Arm am Seil hängend, tanzt das Duo, als ob Parkettboden in der Luft verlegt wäre. An der linken Bühnenseite sitzt derweil Wolfgang Stute vor einem ganzen Arsenal vor Akustik- und Bassgitarren. Mit den richtigen Riffs sorgt der 68-jährige Musiker dafür, dass sich die Show zur Gänze ins Gemüt der Zuschauer brennt. Was ich allerdings als etwas dick aufgetragen und störend empfand, war die tiefe, sonore Stimme aus dem Off, die immer wieder Begriffe wie „Liebe“ oder „Hingabe“ säuselte, während diese gleichzeitig in großen Lettern auf die Styroporwand projiziert wurden. Zwar ließ sich diese Facette nicht komplett ausblenden, und doch waren die künstlerischen Darbietungen so großartig, so schön, so verschlungen, fast einzigartig, dass man eingeblendete Sätze wie „Wie geht es Dir jetzt?“ verbunden mit entsprechender akustischer Untermalung getrost in den Hintergrund rücken konnte. Da sind nämlich so großartige Tänzer wie Maja Cázares aus Mexiko und Diego Salles aus Brasilien. Die beiden zeigen Poesie in Körperkunst, Literatur zum anfassen, eine unglaubliche Geschmeidigkeit der Tanzakrobatik oder Helena Lehmann, die scheinbar so mühelos an der Stange tanzt, ihren Körper darum windet und die Grenzen der Schwerelosigkeit aufzuheben scheint. Da stockt einem der Atem und man ist ganz beseelt – dafür brauchts keine Stimme aus dem Off. Zwischendurch tanzen auch alle 9 Künstler gemeinsam, tolle Choreographien mit einem faszinierenden Körpergefühl der Mitwirkenden. Gitarrist Wolfgang Stute schnappt sich die steel drum und entlockt ihr – inmitten von tanzenden Leibern ein paar fernöstliche Töne. Töne wie sie auch Akria Fukagawa für seinen Auftritt braucht. Der 30jährige Japaner jongliert mit mehreren Diabolos und leuchtenden LED-Pois, schreibt sogar den Namen der Show in die Luft. Doch das Bindeglied der Show ist tatsächlich ein Spiel mit Licht und Schatten. Manchmal werden Scheinwerfer schräg aus dem Bühnenrücken auf die Artisten gerichtet, sodass sich deren Schatten auf den seitlichen Lamellenwänden abbilden. Es ist auch nicht nur das Spiel mit Schwarz und weiß, eher ein Schatten aus Farbe, ein bröckelnder, fransender Schatten, in dessen Mitte wieder Licht erscheint, ein Gesicht, ein Liebespaar. Schönzeit in Reinkultur.

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