Willkommen bei den Hartmanns

Vor fast 4 Jahren war die Zahl der Flüchtenden nach Deutschland auf dem bisherigen Zenit. Es gab und gibt immer noch Mitbürger, die das als Invasion begreifen. Die meisten Menschen aber wollten helfen. Kleider spenden oder Deutsch unterrichten. Und wenn das nicht klappt, dann nimmt man eben einen Flüchtling auf. So dachte zumindest Angelika Hartmann, wunderbar gespielt von Angelika Ober, die auch selbst Regie führt. Bis Juni ist das kurzweilige und witzige Stück „Willkommen bei den Hartmanns“ noch im Boulevard-Theater in der Königspassage zu sehen.

Erbost darüber, dass man ihr als ehemaliger Rektorin keinen eigenen Deutschkurs anvertrauen will, geht Angelika aufs Ganze, getreu dem Motto: „Wenn ich nicht zu den Flüchtlingen darf, dann kommen sie halt zu mir.“ Natürlich lässt sich die Idee nicht reibungslos umsetzen, immerhin hat ihr Gatte, der Oberarzt Richard Hartmann (Roland Heitz) ganz andere Probleme. Er lässt sich von einem Kollegen Hyaluron in die Wangen spritzen, um sich die Illusion von Jugendlichkeit zu erhalten. Daneben gibt es mit Sophie (Miriam Hornik) die Tochter des Hauses, Typ „ewige Studentin“, die es nach Ägyptologie und Modedesign jetzt mal mit Psychologie probiert. Immerhin ist sie die einzige, die mit Mamas Idee etwas anfangen kann. Weniger erbaut davon ist auch der Sohn des Hauses Philipp (Tilmann Rademacher), der eigentlich mehr in Shanghai zu Hause ist und dort irgendwelche deals einfädelt. Philipp lebt in Trennung von seiner Frau, hat aber – so wie es aussieht – das Sorgerecht für den 12-jährigen Basti (Jonathan Steinbeiß)..

Das ist schon sehr komisch, wie sich schließlich im Stile von DSDS verschiedene Flüchtlinge vorstellen, ganze Familien oder ein italienischer Kantinenbetreiber (sehr schön: Stefan Naszay). Das verstärkt dann auch die Zweifel von Richard Hartmann, der die Suche nach einem geeigneten Flüchtling am liebsten einstellen will. Aber als der Syrer Ahmed (Ahmed Dimassi) die Bühne betritt, ist es um die Familie geschehen. Ahmed, der auf die Frage, weshalb er nach Deutschland gekommen sei, kurz antwortet: „Wegen Manuel Neuer“, Ahmed, der jeden Witz erklären muss, der ungern über seine Flucht spricht, aber an entscheidender Stelle eben doch sachlich und emotional berichtet. Allerdings prallen dann schon verschiedene Welten aufeinander. Klasse wie mit Vorurteilen jongliert wird, aber das Ganze nicht abdriftet in Beliebigkeit. Es ist der heranwachsende Basti, der die Integration vorantreibt, weil er Ahmed bittet in einem Rap-Video mitzuwirken, auch wenn das erstmal mächtig Ärger an anderer Stelle gibt. „Chill mal Dein Gesicht“, singen später alle. Aber bis es soweit ist, muss einiges Wasser den Euphrat herunterfließen.

Eine tolle Leistung des gesamten Ensembles, da möchte man niemanden herausgreifen, witzig, spritzig und zu keinem Zeitpunkt gezwungen. In vielen Facetten gelingt es Angelika Ober, den Filmerfolg so auf die Bühne zu bringen, dass man auch hier bisweilen in den Spiegel schauen muss. Bin ich Gutmensch oder Rassist? Das sind ja die Pole, zwischen denen es nichts zu geben scheint.

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