Eine Krähe macht noch keinen Winter

Die Tanzabende unter der Leitung von Hans Henning Paar sind besonders, emotional, berührend, schön. Das Münsteraner Publikum weiß das und auch mir begegnete das Sekundenglück, als Tenor Robert Sellier Schuberts Winterreise die Stimme lieh. Auf der Bühne tanzte derweil ein wunderbares Ensemble und das Sinfonieorchester spielte unter der Leitung von Thorsten Schmidt-Kapfenburg eine Fassung von Hans Zander, die neben komponierter Musik auch Naturgeräusche enthielt, Wind, Hundegebell, Kettenrasseln. Gestern Abend war im Großen Haus Premiere von „Eine Winterreise“.

Als ganz zu Beginn ein einzelnes Zupfinstrument zu hören ist, erwacht das Tanzensemble, reckt sich und streckt sich, macht sich fertig für die Reise durch den Winter. Robert Sellier wirkt etwas leicht bekleidet in seinem hellen Anzug, als er da zu singen beginnt – fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus -, nicht gerade passend für den kalten Winter. Und dann wird auch noch eine Theaterschneemaschine hereingeschoben, die den Schneefall verwirbelt. Selliers Stimme nimmt das Auditorium mit durch den Liederzyklus, lässt Mitleid spürbar werden, als Tänzer die halberfrorenen Füße heben. Während Robert Sellier auf der Winterreise seiner vergangenen Liebe nachtrauert, gibt es mit Jason Franklin ein tanzendes Pendant, gleiche Frisur, gleicher Anzug. Und Sellier träumt von Blumen im Winter. Schon kommen fünf Tänzerinnen in frühlingshaften Blumenkleidern hereingeschwebt, ein Ringelreihen, Glückseligkeit. Doch so ist die Welt nicht.

„Eine Krähe war mit mir aus der Stadt gezogen, ist bis heute für und frei um mein Haupt geflogen“. Das ist das schönste Lied aus der Winterreise, zumindest in dieser Inszenierung, gibt Kana Mabuchi dem Federvieh auch tänzerisch so viel Lebendigkeit, bewegt ruckartig den Kopf, als wollte sie mühselig die karge Winterkost aufpicken, sind die Haare zum kleinen Dutt hochgebunden, befindet sich auf ihren Schultern ein Besatz, der sofort an eine Krähe denken lässt. „Krähe, wunderliches Tier, Willst mich nicht verlassen? Meinst wohl, bald als Beute hier, meinen Leib zu fassen“, singt Robert Sellier und Mabuchi flattert um ihn herum. Das verstärkt die Melancholie. Und auch das Licht spielt eine Rolle, das matte Winterlicht, das durch die unbelaubten Bäume fällt, klasse von der Technik umgesetzt. Wohl dem, der Auswege aus depressiven Stimmungslagen entwickeln kann.

 

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