Könnte man die Energie in Gastanks umleiten, wir bräuchten wohl keine Angst vor dem kommenden Winter zu haben. So kraftvoll, ungezügelt, wild, aber auch auf Rache besonnen geben sich die Furien in Lillian Stillwells gleichnamigen Tanzstück gestern Abend in Münsters kleinem Haus. Mit dieser Uraufführung stellt Stillwell sich dem gespannten münsteraner Publikum vor.
Die elf Tänzer*innen bewegen sich trotz aller Wildheit, ihrer Kraft und Dynamik, ihrem ureigenen Ausdruckswillen in Formation, dichtgedrängt eng beieinander, was diese unbändige Energie mehr komprimiert. Die Geschichte dahinter ist schnell erzählt: In der griechischen Mythologie hat Agamemnon seine Tochter geopfert. Das führte dazu, dass dessen Ehefrau Klytaimnestra und deren Geliebter Agamemnon töteten, was wiederrum neue Gewalt beförderte. Es bedurfte schon der Göttin Athene, um diesen Teufelskreis von Gewalt zu durchbrechen, indem die Furien (Die Eumeniden) als Rachegeister sowas wie die pränatale Staatsanwaltschaft wurden. Die Geburt der Demokratie. Diese Entwicklung ist tänzerisch deutlich geworden, von aller tierischen, ungeregelten Kraft hin zu fließenden, harmonischen Bewegungen aus der Ballettsprache. Sie ist in den Kostümen deutlich geworden und auch musikalisch von einzelnen, monströsen Urlauten hin zu klangvollen Tönen. Es ist auch eine gute Entscheidung gewesen, die Tänzer*innen nicht auf einer Bühne sondern ebenerdig agieren zu lassen – so ist man näher dran und spürt dieser Energie, den Rachegedanken und auch der Wandlung nach. Was haben wir selbst an Rachegelüsten? Vertrauen wir den Institutionen oder wollen wir selbst aktiv werden? Und doch fand ich, dass die etwa einstündige Tanzdarbietung ihre Längen hatte, vor allem zum Schluss hin wirkte es für mich so, als ob noch ein bisschen Zeit zu füllen war. Aber insgesamt wird es bestimmt auch hier noch eine Entwicklung geben.