Das war gestern mal einer außergewöhnlicher „Theaterabend“. Zur allerersten Veranstaltung von „Seele essen Angst auf“ ging es mit einem Stadtbus die Wolbecker Straße Richtung Osten, vorbei an Gebäuden mit allerlei angsteinflößenden Namen, an Kreuzungen mit Unfalltoten und am genmanipulierten Phallussymbol (Fernsehturm). Ein Doppelpass-Projekt des Theaterkollektivs Skart featuring Mobile Albania.
Im Zentrum des Abends steht die Angst oder besser die Ängste. Die etwa 10 Fahrgäste an Bord werden angehalten, ihre Angst auf einen Zettel zu schreiben und in einem Plastikbällchen zu verschließen. Irgendwann unterwegs steigt dann noch ein gesichtsloser Zottelbär hinzu, quasi die Urangst und weiter geht`s. Immer schlechter werden die Straßen und so sind die Insassen schließlich dankbar, die letzten 300 Meter per pedes zurücklegen zu können, geführt von einer stummen Gestalt mit Leuchtquadrat auf dem Rücken. Es wird langsam dunkel, als das Auditorium eine wunderschöne Waldlichtung erreicht, wie geschaffen für okkulte Opferrituale. Aber darum geht es nicht. Auch hier halten sich Ängste auf, große schwarze oder zottelige, dämmrig beleuchtet von einer zierlichen Stablampe. Die Ängste sind immer da und überall, sprachlos aber omnipräsent. Zwei Monitore flackern, ein Gesicht in dem einen, angstverzerrt, entstellt, mühsam nach Luft ringend wird von der Angst aus den Plastikbällchen berichtet, manchmal etwas übertrieben plastisch – aber so ist das halt mit Ängsten – sie neigen zur Übertreibung. Im anderen Monitor wird modelliert, die Transformation der Angst. Da fällt mir ein, dass ich meine Angst im Bus vergessen habe. „Die Angst vorm Zuspätkommen“. Macht nichts, sagt Johannes, der mich begleitet „da fehlt es eh an dramatischer Fallhöhe.“ Dabei kommt das besondere Ende noch, denn zu guter Letzt darf man auf seine eigene Angst schießen, in einem bunt-fröhlichen Schießstand, in dem man auch heißen Tee bekommt. Ich wähle eine Ersatzangst, die „Angst mich zu blamieren“, die bereits vorgefertigt an der Stirnseite hängt, Eigentlich hatte man mir geraten zur „Angst, die Zähne zu verlieren“. Aber das ist mir zu weit weg. Zielen über Kimme und Korn, die Angst ist erlegt und kann dann sogar gegessen werden, eine Oblate auf einem süßlichen Brot – können Ängste doch lecker sein.
Eine aufwändige Inszenierung mit liebevollen Details. Ich habe mich an der seitlichen Theke noch mit einem Bühnentechniker unterhalten, der schon seit einer Woche mit dem Aufbau beschäftigt sei und dessen Haltung zur Angst sich komplett geändert habe. In Zeiten von Corona – das kommt hinzu – sind diese Außentermine auch eine gute Alternative für die Kulturschaffenden.