auch Romeo und Julia können es nicht retten

Wenn Rapunzel ihr Haar herunterlässt, die grauen Herren aus Michael Endes Momo über die Bühne rollen, Pinocchio, Romeo & Julia sich die Ehre geben und sogar Defoes Robinson an Land gespült wird, dann befindet man sich vielleicht in Frau Sonntags „book-shop“ – so der Name der neuen Show im GOP unter Regie von Sabine Rieck. Gestern war Pressepremiere.

Artistisch – das kann man vorausschicken – hat die Show besondere Höhepunkte. Da ist natürlich das Duo Frénésie, Bénédicte Petit und Simon Joubert aus Frankreich, das so innig am Chinese Pole Romeo und Julia gibt, emotionale Musik, scheinbar schwerelose Bewegungen mit einem Kuss, der von oben herabstürzt. Da ist sogar das Münsteraner Publikum, nicht gerade für Gefühlsausbrüche bekannt, gerührt und ergriffen. Und es gibt die beiden Postboten, die regelmäßig den book-shop beliefern, Alex & Vlad aus der Ukraine mit Schirmmütze und angedeuteter Uniform. Wie die beiden sich gegenseitig durch die Luft wirbeln, sicher, kraftvoll und unglaublich schnell, viele Salti rückwärts – das ist schon enorm. Auch die Musik des russisch-deutschen Trios TriOle unter Führung des Bassisten Sergej Swechinski ist gelungen.

Insgesamt jedoch, so meine Einschätzung, die sich erkennbar nicht mit der des Publikums deckt, ist das eher eine der schwächeren Shows. Die Klammer des Buchladens ist nicht ausgeschöpft. Warum, gefühlt jeder, der den Buchladen betritt, erstmal irgendwelche Dinge hochwirft und wieder auffängt, wird nicht klar. Amélie Demay ist Frau Sonntag, als Inhaberin eines Buchladens jedoch völlig unglaubwürdig, ihr fehlt Charisma oder zumindest ein etwas schrulliges Auftreten. Da hätte man viel mehr rausholen können. Nun gut, sie ist ja auch Artistin, Tänzerin, die mit Robinson, nachdem er denn nun auf der Bühne aufgetaut ist, erstmal verschmelzen muss. Joel Baker, so etwas wie die Aushilfe oder der Lehrling, verkörpert den Leser, dessen Fantasie angeregt wird, Blitze, Meerjungfrauen, Musik, Licht. Aber er lässt auch häufiger seltsame Grunzlaute erklingen, das kann einem schon mal auf die Nerven gehen. Hinterher zeigt er einen tollen Handstand auf der Stehlampe und blättert dabei mit den Zähnen die Buchseiten um. Bis zur Pause schlurft noch ein buckeliges Mütterchen regelmäßig über die Bühne. Deren Bedeutung und Sinn erschließt sich mir überhaupt nicht. Sollte das eine Gestalt aus Grimms Märchen sein? Warum gab es nicht mehr Aktion und Inhalt? Wie gesagt – ich habe schon bessere, eindrucksvollere Shows aus einem Guss gesehen. Vieles blieb aneinandergereihtes Stückwerk, und so fiel mein Blick eher auf die Schweißnähte.

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