Eine goldene Rückwand, eine Kanzel, ein katholischer Gebetsraum, riesige, dominante Hakenkreuze, Originalfotos und -filme im Bühnenrücken – das Theater Münster beschäftigt sich in Thorsten Schmid-Kapfenburgs Oper „Galen“ mit der Not des münsterschen Bischofs während der dunkelsten Zeit in Deutschland. Gestern war Premiere und Uraufführung vor begeistertem Publikum. Die musikalische Leitung oblag Generalmusikdirektor Golo Berg, Regie führte Holger Potocki.
Eine ganz besondere Verschmelzung zwischen den Zeiten 1933 und 2022, zwischen jung und alt, Mann und Frau, zwischen Wissen und Glauben macht die Zeit lebendig. Mitten in Münster werden Menschen nach Galen befragt, Passanten aber auch der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, der Stadtführer Klaus Wöstmann oder die junge Frau Jasmin, die einräumt, Galen nicht zu kennen. Neugierig geworden sieht man sie im Handy recherchieren und Bücher lesen und schon springt sie in die Zeit auf die Bühne, beobachtet, wundert sich, singt, stellt Fragen. Kathrin Filip als Jasmin macht das klasse, wie sie sich dem großen Bischof nähert, der anfangs so gar nicht sehen will, was die Nazis für die Kirchen bedeuten, mit dem Wissen der Zeit, gespalten zwischen moralischer Überhöhung und Demut. Und dann Gregor Dalal als Clemens August Graf von Galen, der der Oper auch die Tiefe verleiht, die sie verdient. Kann er dem Reichskanzler glauben, dass die Kirchen nicht berührt werden? Stimmt es, dass die Nazis (behinderte) Menschen als nicht lebenswert bezeichnet haben? Soll er nach der Reichskristallnacht das Wort für die Juden ergreifen? Immerhin hat ihn die jüdische Gemeinde gebeten. Die wachsende innere Zerrissenheit des Kirchenmannes wird von der Musik verkörpert, die sich dramatisch steigert, und selbst Galens Mutter erscheint und macht ihm deutlich, dass er kein Junge mehr sei, toller Auftritt von Suzanne McLeod im wallenden Kleid. Und auch der Chor sogt für emotionale Anspannung. Schließlich hält der Bischof seine berühmten Predigten gegen Euthanasie, immer mit der Angst verbunden, dass die Gestapo ihn holt. Drohungen der NS-Schergen gibt es genug. Eine Predigt hält Galen auch dem Auditorium, dass sich plötzlich in der Kirche wähnt, weil das Licht leicht erhellt wird. So gibt es eine zusätzliche Verbindung in die Gegenwart und – andersherum – werden die Zuhörer in die Vergangenheit geschleust. Wie hätten wir agiert, was hätten wir getan? Eine tolle Inszenierung mit gelungenen Verweisen zwischen den Zeiten. So macht man Vergangenheit lebendig.