Jacob Marley ist tot – so beginnt Charles Dickens großartige Christmas Carol. Unzählige Schulen führen genauso auf wie die American Drama Group, wie dem geizigen, hartherzigen Ebenezer Scrooge, Geschäftspartner des verstorbenen Marley, die Geister vergangener Weihnachten erscheinen. Gestern Abend gab es dann noch einmal einen besonderen Leckerbissen: Christoph Tiemann als Ebenezer Scooge im Bowler lud ins Planetarium ein, um seine Geschichte zu lesen.
Ihm zur Seite stehen drei weitere Leser, eine Leserin und der Mann für die besonderen Momente am Piano ist Philipp Ritter. Schon allein die Atmosphäre ist einzigartig, gemütliche Stühle, auf denen man sich weit zurücklehnen kann, der abgedunkelte Kuppelsaal, Sterne am Himmel und immer wieder Bilder. Keine Bildergeschichte, sondern gerade so viel, dass die vielen Hörer dies eine Bild als Ausgangspunkt für ihre eigene Fantasiereise nehmen können, ein Weg, ein schneebedecktes Haus, die Räume des Angestellten Cratchit. Wenn Tiemann als Scrooge den Namen Cratchit ausspricht, ist das, als wollte er speien, als sei ihm übel, Cratchit, raus ist es. Dabei hat er die Stimme verzerrt, etwas höher als üblich, leicht gepresst. Gut kann man sich etwas rattenartiges vorstellen, schon erscheinen die Schnurhaare, gelbe Zähne, schnuppern, ein langer Schwanz – mit einem Wort: reiner Ekel. Dabei ist das, was Mr. Cratchit wünscht, nicht eben viel – ein paar glühende Kohlen statt abfrierende Finger. Urs von Wulfen ist genau die richtige Lese-Besetzung für Peter Cratchit – ein anständiger und zurückhaltender Vater, der einfach nur mit seiner Familie Weihnachten feiern möchte. Wenn die einzige Leserin, Sarah Giese, direkt im Anschluss an die Litanei von Ebenezer Scrooge in der Geschichte mit warmer Stimme fortfährt, wird der Kontrast besonders deutlich. Dramatische Musik – und dann erscheint das Bild des vor sieben Jahren verstorbenen Kompagnons Jacob Marley im Türklopfer – parallel dazu gibt es ein Bild an der Kuppel, mit Bronzelöwen und Ring. Marley kündigt schon mal die Geister an, die nachts erscheinen sollen. Auch wenn Scooge dem zunächst wenig Glauben schenkt: vor dem Erscheinen des ersten Geistes, kann einem tatsächlich etwas mulmig werden, so unter die Haut gehen die schlurfenden Ketten, die Geiger und Glocken. Dann ist es an Alexander Rolfes als Geist, Mr. Scrooge einzunorden. Und die Neigung, an Geister zu glauben, steigt und langsam ändert sich auch die Stimme von Tiemann, zunächst einfach nur ängstlicher. Die Geister nehmen ihn mit auf eine Reise in die Vergangenheit, Scrooge sieht Bilder längst vergangener Zeiten, Eltern, Schwester, Ausbildungsbetrieb. Spätestens, als er seine ehemalige Verlobte sieht, wird aus der Angst Trauer. Tilman Rademacher liest den Geist der diesjährigen Weihnacht und macht den Deckel drauf.
In der Pause kommt eine junge Frau mit rotglühenden Wangen auf Christoph Tiemann zu: „Das ist ein bisschen wie Bibi Blocksberg hören“. Nur war gestern im Planetarium das Ambiente besonders, in der Mitte der riesige Projektor und drum herum die Leser, die Texte nur schummrig beleuchtet und das Auditorium von Sternen beschienen. Oder wie Tiemann ganz zu Anfang sagte: „Achten Sie bitte nur drauf, dass Ihr Nachbar nicht zu laut schnarcht.“