Bis auf einige Restplätze in den Rängen ist das Große Haus ausverkauft. Es scheint, dass das Publikum sich die erste gemeinsame Opernproduktion von Münsters neuem Generalmusikdirektor Golo Berg und Intendant Ulrich Peters nicht entgehen lassen will. Und in der Tat wirkt es so, als ob das Auditorium einen Moment lang den Atem anhält, als sich der Vorhang hebt. Gestern Abend fand die Premiere von Verdis „Don Carlo“ statt. Zusätzlich gab es noch eine Besonderheit: Münsters neues Operntandem baute Alfred Schnittkes Requiem ein. Das war allerdings keineswegs so gewagt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, denn die sakrale Musik veranschaulichte eindrücklich die Gewissensnot, in der sich Philipp II., König von Spanien befand.
Verdis Oper, nach Schillers Don Karlos, Infant von Spanien, rückt König Philipp und nicht dessen Sohn, Namenspatron der Oper, in den Mittelpunkt. Um seine Seelennot geht es in der Hauptsache, denn er regiert Spanien und damit ein gewaltiges Weltreich. Persönliche Wünsche müssen dahinter zurücktreten. Was bedeutet schon Freundschaft, Liebe, Familie, wenn es um das Volk oder mehr noch die Völker geht? Dabei ist die Bühne auf ein Minimum reduziert, Laub auf einem Erdhügel, das die komplette Spielzeit liegenbleibt, auch wenn die Szene im Palast spielt, stilistische Bäume, die zwar einen Stamm aber keine Krone haben, stattdessen Holzkisten. Sicher kann man das so machen, um den Blickwinkel zu verengen. Mir persönlich schien das zu minimalisiert.
Der einzige Weg, Frieden zwischen Frankreich und Spanien zu erzwingen, so scheint es, ist eine Hochzeit von Philipp und der französischen Prinzessin Elisabeth von Valois. Unglücklicherweise lieben sich Elisabeth und Philipps Sohn Don Carlo. Bindeglied zwischen den drei Personen ist der Marquis von Posa Rodrigo, Freund von Don Carlo aber eben auch von dessen Vater Philipp. Es ist also alles angerichtet für die großen Gefühle, die Dramatik, die die Oper ausmacht. Und wenn dann noch Prinzessin Eboli auftaucht, die ihrerseits in Don Carlo verliebt ist, gibt das Raum für herzzerreißende Arien. So ist es dann auch Monika Walerowicz in der Rolle der Prinzessin Eboli, die mit ihrem schmachtenden, unerhörten Liebesgesang die Gunst des Publikums in besonderer Weise gewinnt, selbst wenn sie in ihrer Rolle die Königin verrät.
Und dann kommt der Moment, wo Philipp den Rat des Großinquisators einholen will, ein Duett, das die ganze Seelenqual des Königs offenbart, das den Zuschauer, so er sich denn darauf einlässt, emotional berührt. Philipp windet sich, will Liebe und Freundschaft retten, doch Pflicht und Vaterland fordern ihren Tribut, ein Spiel, das der König nur verlieren kann.
Stephan Klemm als König Philipp, Christoph Stegemann als Großinquisator, Filippo Bettoschi als Rodrigo aber auch alle anderen Rollen sind gut besetzt. Ein schöner Opernabend mit einem großartigen Nachhall.