Geändert hat sich nichts

Wenn kleines Spinnengetier über Eisberge huscht, Tänzerinnen und Tänzer im weißen Overalls die Bühne füllen und haarlose Männer in engen, schwarzen Kunstlederanzügen komplexe Vorgänge in Wartemarken quetschen, dann ist Zeit für „Unknown Territories“, ein Tanzabend von Hans Henning Paar und Michael Letmathe. Gestern war Premiere im Kleinen Haus.

Auf drei große, gezackte Flächen werden Sequenzen projiziert, anfangs noch menschliche Körper, die sich kubistisch vereinzeln, später feuerwerksähnliche Eruptionen. Zusätzlich gibt es eine Art Iglu auf Rädern, auf das ebenfalls projiziert wird. Und dann rollen und robben die Tänzerinnen und Tänzer auf die Bühne, tanzen miteinander, grenzen aber eine Tänzerin aus, die immer wieder versucht, Teil der Gemeinschaft zu sein. Der Tanz wirkt wie ein Kampf, wie eine Mischung, kurze, klare, kantige Bewegungen und immer wieder die Front gegen die eine einsame Tänzerin, mal wird ihr der Rücken zugewandt, mal flüchten die anderen, stellen sich zusammen und tuscheln. „Geändert hat sich nichts, der Körper muss essen, atmen und schlafen“, das Gedicht „Folter“ von Wislawa Szymborska gibt einen sprachlichen Rahmen und zugleich einen Grund, weshalb Menschen ihre Heimat verlassen und  schließlich fremd sind. Dann müssen sie sich um die Verlängerung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis kümmern. Dieser bürokratische Akt wird herrlich aber auch beklemmend dargestellt, indem sich das Iglu öffnet. Darin befindet sich Simon Mantei, in einen dieser schwarzen, engen Anzüge gezwängt und mit Glatzenhaube. Er fordert die verschiedensten Unterlagen von Antragstellern, die sich nacheinander tänzerisch vorstellen. Um Mantei herum werden es immer mehr schwarze Männer mit Glatzenhaube, die eng beieinander stehen, den Mund nur öffnen, aber die Worte von Mantei nur nachformen und nicht aussprechen. Sie bewegen sich wie Hunde, dicht beim Herrn. Der steht irgendwann auf der einen Iglu-Hälfte und gibt Schritte vor, erzählt von Vorschriften, die es zu beachten gelte, während auf der anderen Hälfte Bálinth Tóth steht, im weißen Overall: „Geändert hat sich nichts, sein Knochengerüst ist brüchig, die Gelenke sind streckbar. Das alles wird bei der Folter berücksichtigt.“

Ein toller Abend, in dem Tanz, Schauspiel, Kostüme, Videoperformance, Musik so kunstvoll verwoben werden mit einer eindeutigen inhaltlichen Aussage. Mein tiefer Respekt vor dem internationalen Ensemble und überhaupt allen Beteiligten

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