Was mit Zwölftonmusik auf der Geige beginnt, wird im Laufe des Stückes wesentlich melodischer, auch weil die drei spielenden Herren komplett auf Instrumente verzichten und stattdessen ihre sonoren Stimmen erklingen lassen. „Sherlock Holmes und das Ärmelkanal-Ultimatum“ heißt das neue Stück aus der Feder von Zeha Schröder, der es sich nicht nehmen lässt, selbst Holmes zu spielen und dem Brexit eine ganz neue, fantastische Dimension verleiht. Gestern Abend im blauen Haus.
Das britische Könighaus sieht sich einer unglaublichen Bedrohung ausgesetzt. Der irische M. droht unverhohlen damit, einen Asteroiden so zu beschießen, dass dieser abstürzt und eine Landverbindung zwischen Großbritannien und Nordfrankreich bildet. Sehr schön im königlich-blauen Kleid und Hut, mit faszinierendem Schuhwerk und der Verzweiflung nahe Helge Salnikau als Queen. Salnikau geht es wie seinen beiden Mitspielern, außer Zeha Schröder ist noch Johan Schüling dabei, alle schlüpfen in mehrere Rollen. So ist Salnikau auch etwa die Hauswirtin Theresa Hudson, die tiefgebeugt fragen lässt: „May she serve the tea?“, was das kleine Bonmot „Theresa may“ zur Folge hat. Dann muss Sherlock Holmes sich auch noch als Schotte verkleiden, um nicht sogleich aufzufallen. Aus Gründen der Authentizität zieht er sogar seine Unterhose aus, die er dem verdutzten Dr. Watson (Johan Schüling) in die Hand drückt. Es entwickelt sich ein rasantes Spektakel, bei dem sich die Protagonisten häufig umkleiden. Auch das ist eine Sache, die gut gelöst ist. Es kommt dabei einfach keine Langeweile auf, weil währenddessen fleißig lautmalerisch gesungen wird. Die Spur führt über die Bibliothek, an den Londoner docklands vorbei zum Big Ben. Und alles wäre vermutlich viel einfacher gewesen, wäre nicht Inspektor Lestrade von New Scotland Yard entführt worden. So aber muss man sich mit dem bösen M. treffen. Es kommt dabei zu einem intellektuellen Wettstreit zwischen M. und Sherlock Holmes, dessen Ausgang völlig offen ist bis M. das Geheimnis von Holmes Geburt abfragt. Doch natürlich wäre Sherlock Holmes nicht Sherlock Holmes, wenn er keinen Ausweg fände, auch wenn er dafür den russischen KGB-Offizier Boris Alexewitsch Jonsoff um Hilfe bitten muss.
Eine verrückte, wilde Geschichte, die endlich mal den Brexit erklärt. Wahrscheinlich werden einst Historiker darüber befinden, ob man sie in den Geschichtsunterricht an Schulen einbaut. Tolle Schauspieler, die auch mit unerwarteten Situationen umgehen können. Es macht einfach Spaß, „Freuynde & Gaesdte“ zu erleben.