New York 11.09.2001 – in das World Trade Center sind fast gleichzeitig zwei Flugzeuge gelenkt worden und die Welt konnte an den Bildschirmen live verfolgen, was dann passierte. Über menschliche Schicksale hat Jonathan Safran Foer später den berühmten Roman „Extrem laut und unglaublich nah“ geschrieben, dessen Bühnenfassung von Peter Helling die Burghofbühne Dinslaken unter Regie von Mirko Schombert gestern, am Tag 4 des NRW-Theatertreffens, im Kleinen Haus zeigte.
Zusammengeschraubte Pressholzwände bilden eine Ecke von vielleicht 45 Grad zum Publikum. Durch Türen und Fenster dieses Gebildes betreten die 5 Schauspielerinnen und Schauspieler die Bühne. Eine Akustik- und eine Bassgitarre werden zwischendurch ebenso bedient wie ein Instrument, das in wachsender Intensität Töne von sich gibt, desto näher man ihm kommt.
Im Mittelpunkt steht Oskar Schell, ein achtjähriger Junge, der seinen Vater bei dem Anschlag verloren hat. Das haben die „Dinslaker“ schon sehr gut gemacht: nicht nur, dass es Oskar gleich dreimal gibt, was natürlich eine Reihe von intensiven Selbstgesprächen ermöglicht – es verleiht dem kleinen Jungen auch gleich wesentlich mehr Bedeutung und Energie. Neben Philipp Pelzer und Malte Sachtleben ist es insbesondere Julia Sylvester, die Oskar so herausragend spielt, so emotional im Gespräch mit seiner Mutter die Menge der Tränen vergleicht, die sich so wunderbar in einen achtjährigen Jungen hineinversetzt, dass man ihr das einfach abnimmt, dass einem selbst ein Kloß im Hals steckenbleibt. Oskar, der eine Reihe von Erfindungen ersinnt, die wohl kaum Aussicht auf Realisierung haben, findet in einer Vase einen Umschlag mit einem Schlüssel, der die Aufschrift „Black“ trägt. Nun macht er sich auf den Weg, das passende Schloss zu finden. Schließlich gehörte die Vase seinem Vater und der Schlüssel scheint das letzte zu sein, was die beiden verbindet und birgt zugleich ein Geheimnis. Vielleicht ist es ja auch der Schlüssel zum Verständnis oder der Schlüssel zum Glück. Leicht kann man sich ausmalen, dass die Suche einer Sisyphosaufgabe gleichkommt – allein Oskar glaubt an den Erfolg und macht sich auf den Weg, bei sämtlichen Blacks nachzufragen, ob die seinen Vater kannten und das zugehörige Schloss besitzen.
Parallel gibt es noch die Geschichte der Oma, deren Mann sie verlassen hat. Da spielt die Bombardierung von Dresden eine Rolle und ganze eigene Verluste und Ängste des Opas. Christiane Wilke spielt gleichzeitig Mutter und Oma. Sie kann ebenso überzeugen wie Jan Exner als Vater und Opa.
Ein bisschen vermischt sich das alles, aber letztlich geht es um das Thema, wie man mit dem Verlust leben kann. Denn auch bei all den Kontakten, die Oskar mit den verschiedenen Blacks hat, lauert immer eine „Trauergeschichte“ im Hintergrund. Das führt dann schon mal dazu, dass einer 24 Jahre lang die eigene Wohnung nicht verlässt und das Hörgerät nicht mehr einschaltet, weil er Angst hat, dass die Batterien den Geist aufgeben. Als dann schließlich doch das Gerät wieder eingeschaltet wird, fliegt gerade ein Vogelschwarm am Fenster vorbei und das ist extrem laut und unglaublich nah, was vordergründig den Buchtitel erklärt.
Ein tolles, emotionales Stück, das musikalisch gekonnt verstärkt wird. Dass Julia Sylvester herausragend spielt, sagte ich bereits. Manchmal kann man sich ruhig wiederholen. Für mich neben Uwe Rohbeck vom Schauspiel Dortmund – bislang – die größte Leistung.