Ruhiges, glitzerndes Meer im Morgenerwachen wird auf stilisierte Rah-Segel projiziert; von einem schrägen Kubus rutscht eine Tänzerin langsam auf die Bühne. So beginnt der Tanzabend von Hans Henning Paar & Daniel Soulié mit dem Titel „TRUE ROMANCE“ im Kleinen Haus. Gestern Abend war Premiere.
Die Klaviermusik von Frédéric Chopin ist natürlich der Inbegriff von Romantik, zumindest so, wie man Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstand. Chopins Nocturne ist dann auch das Motiv, der Faden, die Klammer des Abends, zu dem sich die Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles bewegen. Und das machen sie so schön. Ein einzelner Herr bewegt sich langsam aus dem Auditorium nach vorne. Vielleicht befindet er sich noch auf der Suche nach seinem Platz, doch nein, er ergreift das Mikrofon vom Ständer und läuft auf die Bühne, stellt sich neben die auf dem Boden kauernde Tänzerin. Er sagt nur ein Wort „Rain“. Und schon plätschern dicke Tropfen, klopft und prasselt der Regen. Das Paar bewegt sich innig, küsst sich, will Teil des jeweils anderen werden bis es sich irgendwann löst. Sie liegt auf dem Boden, mit dem Blick ins Publikum, und fragt: „Du you like my shoulders, my knees, my breasts?“ Mit stockendem Atem bejaht er immer wieder.
Aber es bleibt nicht bei diesem reinen Paartanz, insgesamt elf Tänzerinnen und Tänzer drücken aus, was die Musik akustisch vermittelt. Wenn dann eine von vielen Händen hoch gehoben wird, sich versteift und fallen lässt, ist auch klar, was es unbedingt braucht: das Vertrauen, aufgefangen zu werden.
Manchmal wirkt der musikalische Wechsel geradezu martialisch, grob und die Tänzer suchen ihren Weg, als müssten sie sich in dieser Welt erst orientieren, trommeln mit Fingern auf ihren Brust- und Halsbereich bis Patti Smith in ihrem wunderbaren Song „Hey Joe“ sagt: „honey, the way you play guitar makes me feel so, makes me feel (sie sucht das richtige Wort) so masochistic.“ Tanz ist immer auch erotisch. Paar und Soulié haben sogar einen „homoerotischen“ Tanz eingebaut. Romantik gestern und heute wechseln immer schneller und verschmelzen so zu einem großartigen Abend, der folgerichtig mit einem Meer in Abendstimmung endet.
