Da, wo die Datumsgrenze verläuft, jenseits des 180. Längengrades, gibt es eine ganz besondere Spelunke. Da feiern die Matrosen, Seeleute, Smutje und Kapitän ihren Landgang, freilich mit der ältesten Professionellen, die, glaubt man dem storyteller Nagelritz, schon 120 Jahre alt sein soll. Da wird gesoffen, falsch gespielt, sich geprügelt. Vor allem aber wird wunderbare Artistik wie aus einem Guss gezeigt. Kompliment für die hervorragende Regiearbeit von Gabriel Drouin und Francis Gadbois, die beide als Artisten auch selbst aktiv sind. Das ist die neue Show „Sailors“ im GOP Münster.
Was am Anfang noch ein bisschen zäh ist, weil Nagelritz langatmige Geschichten erzählt und dabei Ahoibrause verteilt, wächst sich schnell aus zu einer stimmigen Show, bei der man die Zeit vergisst. Francis Gadbois als Barkeeper rezitiert französische Gedichte. Ich verstehe immer nur „le ciel“, „le soleil“, „le pleut“. Wahrscheinlich gibt es irgendwo auch l„ ocean. Jedenfalls ist der sound vom Band toll, wenn die Brandung gegen die Felsen klatscht, wenn es gewittert und stürmt, so wirklich und nah, man sieht den Regen und fühlt sich selber nass und durchgepustet. Man hört die Takellage, als Kapitän Gabriel Drouin mit dem Cyr über die Bühne rollt, man bestaunt Alexanne Plouffe am Chinese Pole, wie sie da behände hoch klettert, allerhand Figuren schreibt und schnell wieder runtersaust auf den Tresen. Vor allem ist da aber Joel Malkoff, der eine unglaubliche Performance am Drahtseil zeigt, von der Bar aufs Seil springt und mit einem Salto rückwärts wieder auf dem Seil landet. Da fällt es Nagelritz mit Gitarre in der Hand auch nicht schwer, das Publikum zum mitsingen alter Seemannslieder zu animieren, selbst wenn beim Text improvisiert werden muss. Überhaupt wandeln sich die Artisten zwischendurch kurzerhand zu einer repektablen Band. Es bleibt nur eine Frage. „What shall we do with the drunken sailor?“