4. Gipfel im flachen Münster

Als Ernie Rissmann um kurz nach acht gestern Abend die Bühne betritt, ist alles in rotes Licht getaucht. Selbst die ersten Zuschauerreihen im vollbesetzten Pumpenhaus bekommen noch ein bisschen Farbe ab. Rissmann macht den Anfang, wechselt schnell Akustik- mit Bassgitarre, holt die Menschen ab mit flotten Beats und spielt eine gute halbe Stunde. Clive Carroll, wunderbar komisch und mitreißend, folgt bis zur Pause und schließlich lässt Dave Goodman bitten. Zusammen bestreiten die drei den vierten Gitarrengipfel.

Rissmann hat keine Mühe, die Zuschauer aufzutauen, so richtig schockgefroren war wohl auch niemand. So kann der Mann an der Gitarre noch den ersten Nummern in aller Ruhe von seinem ursprünglichen Berufsziel sprechen, das er als Kind hatte. „Ich wollte Indianer werden“, sagt Rissmann und schickt ein paar berufstypische Tätigkeiten nach „Matern, Büffel jagen, reiten“. Es geht um Träume und natürlich einen Song, den er dann auch noch seiner Schwester widmet, die Geburtstag hat und im Saal ist. „Mit dem Schiff einfach so abhauen und nicht wieder kommen oder als Adler auf und davon fliegen“. Davon handelt „boats and birds“ und schon klingen die Töne wie Freiheit und Unabhängigkeit. Rissmann gibt sich ein wenig bescheiden, bezeichnet sein Spiel als Intro. Natürlich ist es kein reines Intro sondern elementarer Bestandteil des „Saitenabends“ Die Musik ist so entspannend, dass man sich gut vorstellen kann, den ganzen Abend Rissmann zuzuhören.

Doch da gibt es ja noch Clive Carroll mit dem typischen britischen Humor, der im Sitzen spielt und fragt: „Do you speak englisch, a little? I speak German: Isch bin ein Igel.“ Und wenn er dann spielt, so gar nicht stachelig und immer mit einem Lächeln, das ein bisschen wie Selbstironie wirkt, ist das Auditorium gefangen. Zwischendurch hat einen irischen Song eingebaut, so schnell und sicher spielt er den, dass es süchtig macht. Carroll hat nach seinem Musikstudium ein Konzert mit dem englischen Gitarrenvirtuosen John Renbourn gegeben. Der war danach so begeistert, dass die beiden jahrelang auf Tournee gingen. Jazz, Soul, Falk – Caroll hat alles drauf und findet immer noch die Zeit, seinen Stuhl theatralisch nach links zu setzen, auf dass die Zuschauer ihn auch richtig sehen können. Carroll hat einen unglaublichen Unterhaltungswert mit seiner Musik, seinen verbalen und nonverbalen Gesten, die Gestik und Mimik kann man auf keine CD pressen und sie ist halt auch immer anders bis hin zu dem letzten 8-Minuten-Stück, auch irish, dessen 5 einzelne Bestandteile Carroll genauestens erklärt. „We see us again“, ist sich der Musiker sicher, „in eight minutes.“

Nach so viel „Saitenbacher“ muss das Auditorium mal abdampfen, einige Füße zucken immer noch. Doch nach der Pause geht es fulminant weiter. Der 4. Gitarrengipfel hat ja noch den „Bergwanderer“ Dave Goodman im Gepäck, ein Kanadier, der auch gleich aus seiner Heimatregion erzählt, wie er da in einem Iglu hoch oben im kanadischen Norden steht, einem Iglu, das als Kirche genutzt wird. Hinter dem Taufbecken stehen Massen von Enteisern. „For the Children“, ist sich Goodman sicher. Bis 22.30 Uhr spielt  der Mann an der Gitarre, etwa vom Gedächtnis. „For maine Ex-Frao“ oder wie er sich da fremd fühlt in der eigenen Heimat, weil er so oft auf Tournee ist. Seit langem wohnt Goodman zwar schon in Bremen, doch die Entfremdung hat ihn seinerzeit inspiriert.

Natürlich spielen dann noch alle drei zusammen, Rissmann und Goodman haben den Briten Carroll in die Mitte genommen, der da entspannt auf seinem Stuhl sitzt, auf den Korpus seines Instrumentes klopft und wartet, was seine Kollegen machen. Drei Zugaben gibt es und ganz zum Schluss wird es auch noch weihnachtlich. Ein tolles Konzert.

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