da ist Musik drin

Wenn Musikdramaturg Frederik Wittenberg und Generalmusikdirektor Golo Berg sich eine Stunde vor Konzertbeginn die sprichwörtlichen Bälle zuwerfen, ist das ein Teil der Unterhaltung und zudem äußerst informativ. Es geht wieder los: mit dem ersten Sinfoniekonzert feierte das Orchester gestern Abend seine Auferstehung nach der Sommerpause. Und wer bei der Einführung nicht dabei sein konnte, für den hatte Golo Berg auch noch etwas zum Trost dabei: „Der Zugang zur Musik erfolgt heutzutage sowieso eher durch das Gefühl“.

Aber es schadet auch nicht, wenn über Johann Sebastian Bach erzählt wird, über Anton Webern, Bernhard Romberg und Johannes Brahms. Das machen die beiden Musikexperten schon klasse. So manches kommt dem geneigten Zuhörer wieder in den Sinn, als die Streicher zu ihren Bögen greifen, sanft die Saiten zupfen oder einfach nur zaghaft begleiten. Als nämlich Solist Shengzhi Guo Rombergs 9. h-Moll Cello- Sinfonie spielt, nimmt sich das Orchester extrem zurück. Fast scheint es, dass die Bläser und übrigen Streicher sich nicht trauen, lauter zu spielen, dass sie wie im Tierreich die Dominanz des Alphas anerkennen. Immer wenn das Cello sich ausruht, so wirkt es, als ob die Instrumente etwas nachholen müssen. Und Golo Berg erzählt zu Beginn, wie er einen emeritierten Professor besucht und sich über Bernhard Romberg informiert hat. Orchesternoten für die 9. Sinfonie gab es allerdings in Münster nicht, so folgte eine mühsame aber letztlich erfolgreiche Suche. Im Großen Haus konnte man gestern ein herzerfrischendes Zusammenspiel zwischen Solist und Orchester erleben. Nach Zugabe eines chinesischen Volksliedes entließ Solist Shengzhi Guo das Publikum in die Pause.

Mit Johannes Brahms 4. Sinfonie sagt Golo Berg „welcome back“, und da kann man hautnah erleben, mit welchem emotionalen Fingerspitzengefühl Berg durch die 4 Sätze führt. Ruhig, schnell, dynamisch, laut – was immer gerade gefragt ist, der Generalmusikdirektor fordert es von seinen Musikern ein, gefühlvoll die Streicher und dann wieder energisch, Solo der Querflöte, Pauke. Kaum zu glauben, dass das die vierte und letzte Sinfonie von Brahms, eines damals schon alten Mannes, ist, der eigentlich nach der dritten Sinfonie aufhören wollte – so lebenslustig und voll, und so stark. Ein wie immer schöner Konzertabend.

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