ich bin von Kopf bis Fuß auf Marlene eingestellt

Langsam kommt sie aus dem Bühnenrücken nach vorne geschlendert, schlängelt sich durch Bassist und Violinist und raunt mit etwas brüchiger Stimme: „Guten Abend“. Diese zwei Worte reichen, um das Publikum im Großen Haus fast in Ekstase zu versetzen. Dabei hat sie nicht mal angefangen zu singen, doch natürlich wissen die Münsteraner, was sie erwartet oder sie ahnen es zumindest. Immerhin kommt ein Kind der Stadt zurück. „Rendezvous mit Marlene“, heißt Ute Lempers Programm, mit dem sie gestern im Großen Haus auftrat.

Ute Lemper ist ein Star und warum das so ist, demonstriert sie in dem gut zweistündigen Programm, mit Sprüngen von Lemper zu Dietrich, von 1928 nach 1987, von Englisch über Deutsch zu Französisch, von Deutschland nach Hollywood, über Irland und Italien nach Russland, von Billy Wilder über Charlie Chaplin bis zu Marlene Dietrichs großer Liebe Jean Gabin.

Tatsächlich gab es das Rendezvous mit Marlene, und zwar 1987 am Telefon in Paris. Ute Lemper, gerade 24 Jahre alt, wurde von der Presse als neue Marlene gefeiert, während Marlene Dietrich in der rue de la montagne einsam neben ihrem Telefon und diversen Wodka- und Whiskeyflaschen, längst am Ende ihrer Karriere angelangt war. Lemper hatte ihr geschrieben und dann – etwa 4 Wochen später – rief die alte Diva im Hotel an. Und tatsächlich hört man die 87-jährige, wenn sie von ihrem Aufbruch in die Vereinigten Staaten Ende der Zwanziger, ihrer Liebe zu deutscher Literatur, Rainer Maria Rilke und ihrem Hass auf Hitler und Nazi-Deutschland, die sie zu instrumentalisieren suchen, von den 50ern und ihren unzähligen Männern (und ein paar Frauen) spricht, von ihren Kinofilmen, von Paris und Alkohol. Man kann kaum sagen, wer da zu hören ist. Ist es die große Marlene Dietrich: „Where have all the flowers gone?“ oder die große Ute Lemper mit Lili Marleen vor der Kaserne? Mal im schwarzen hochgeschlitzten Kleid mit Blazer als Dietrich, dann schulterfrei als Lemper und wieder silbrig-glänzend im Hitchcockfilm, begleitet von wunderbaren Musikern an Flügel, Bass, Geige und Schlagzeug, die aber natürlich wissen, dass sie nur „Ausstattung“ sind. Dafür ist das Programm wie es ist mit einer echten Diva, deren Tochter noch zu Dietrichs Lebzeiten mit der Mutter abrechnen wollte, wie selbstsüchtig und lieblos sie sei – freilich alles in einem Buch niedergeschrieben. Letztlich wartete die Tochter, Maria, dann doch bis Dietrichs Tod Anfang der 90er.

Ein großartiger, bewegender Abend, der die Menschen nachher nicht auf den Sitzen hält. Und wenn Ute Lemper dann noch von den 70ern du 80ern erzählt, als sie selbst noch hier zugesehen und mitgespielt hat und von den Garderoben, die seither nicht renoviert wurden beweist sie Humor und jenes Lokalkolorit, für das sie die Menschen auch lieben. Intendant Ulrich Peters lässt es sich nicht nehmen, persönlich einen riesigen Rosenstrauß zu überreichen.

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