„Die Jungs machen ordentlich Dampf“, sagt Musikdramaturg Frederik Wittenberg bei der vorherigen Einführung ins Werk, und das da, wo es ansonsten eher gemächlich zugeht, nämlich beim zweiten Sinfoniekonzert im Großen Haus. Aber Signum, das Saxophonquartett, kann man dem überwiegend weißhaarigen Publikum schon zumuten. Gestern Abend unter der musikalischen Gesamtverantwortung des belgischen Dirigenten Michel Tilkin, der zwischendurch schon mal dankbar ist, dass ihm die zweite Geige ein Schweißtuch reicht.
Aber bevor die „heiligen Hallen“ mit der Minimal-Music von Philip Glass für vier Saxophone und Orchester geflutet werden, gibt es noch eine Reminiszenz an die vergangene Spielzeit und das Beethoven-Jahr – nämlich „die Wut über den verlorenen Groschen“. Auch wenn Beethoven selbst das Rondo „alla ingharese quasi un cappricio“ genannt hat – man hört den Groschen durch das Orchester rollen. „Beethovens Groschen“ wurde noch bearbeitet von Erwin Schulhoff, der sich in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte mit Gelegenheitsarrangements über Wasser halten musste und schließlich von den Nazis in Bayern ermordet wurde. Jedenfalls nimmt diese Bearbeitung Beethovens Witz auf und ja, erhöht diesen sogar.
Derart gelockert ist das Auditorium bereit für Philip Glass und das Signum-Saxophonquartett, dessen vier Sätze keine Bezeichnung haben. Aber wer glaubt, sich der Sogwirkung durch die Wiederholung kleinster motivischer Zellen hingeben zu können, der irrt. Hat man im ersten Satz noch ein Grummeln im Bauch, das durch das einsetzende Tenor-Saxophon von Alan Luzar erzeugt, dann aber durch Alt-, Sopran- und Baritonsaxophon verstärkt wird, steigert sich die Musik im zweiten Satz, gewinnt an Dynamik und Esprit, um im dritten Satz wieder zusammen zu brechen. Erster und dritter Satz gehören genauso zusammen wie zweiter und vierter. Was die vier Bläser da veranstalten, ist schon enorm und wirkt riesig im Zusammenspiel mit dem Orchester. Da kann man sich Tonbandaufnahmen 100 mal anhören (aber wer hört die noch?), ein Orchester im Saalbetrieb ist einfach nicht zu toppen, insbesondere nicht im Gespräch mit vier Saxophonen.
Nach der Pause spielt das Orchester Aaron Coplands Sinfonie Nr. 3, in voller Besetzung mit Tuba, Posaunen und Pauke, sehr laut, sehr energisch. Da gehen dann schon mal die zarten Saiten unter, als die beiden Harfenistinnen sich redlich mühen oder eine einsame Querflöte wie der Phönix aus der Asche aufersteht.
Insgesamt ein sehr schönes Konzert. Gut auch, dass das Theater Münster immer wieder neue Komponisten und Solisten spielen lässt.