Wasser im Landesmuseum

Am rechten Handgelenk ein glitzernd-breites Armband, der linke Arm langsam niedersinkend – schon als Claire Huangci, die in New York geborene Amerikanerin chinesischer Eltern, die ersten Takte von Domenico Scarlattis Sonaten spielt, schmilzt das Auditorium dahin. Gestern machte das Klavier-Festival-Ruhr in Münsters LWL-Museum für Kunst und Kultur Halt – das einzige mal übrigens in Münster. Ansonsten wird in Bochum musiziert, in Dortmund, Witten, Wuppertal oder Düsseldorf.

Es klingt wie rauschendes Wasser, Kaskaden der Musik, ein Bachlauf, ein Strudel, ein Strom, ein Meer. Einfach unglaublich, was die 28-jährige Pianistin in blauen, rückenfreien Hosenanzug aus dem Flügel herausholt. Allein die Zugaben zum Ende des zweistündigen Konzerts sind den Besuch wert gewesen. Da sausen die Finger so schnell auf die Tastatur, dass die Materie beinah mit der Luft verschmilzt. Dabei kommt – das darf man ja nicht vergessen –  auch noch wunderbare Musik heraus.

Ich habe einen hervorragenden Blick auf die Tastatur und sehe, wie Huangcis rechte Hand Robert Schumann intoniert, während der linke Arm ganz sacht heruntergleitet, die Finger die Tasten spielen und die linke Hand schließlich nach rechts übergreift. Die Musikerin wirkt überhaupt nicht gestresst, tatsächlich perlt die Musik, das alles wirkt unglaublich leicht. Emotionale, schnelle und dramatische Sonaten wechseln sich ab, doch alle Stücke spielt Huangci in der Ihr eigenen Art. Die ersten 45 Minuten verschmelzen zu einer kurzen Zeitspanne, für die es eigentlich keine Bezeichnung gibt, „flusch“ würde man vielleicht sagen.

Nach der Pause geht es mit Franz Schubert weiter, und der US-Amerikanerin, die 2007 zur Hochschule Hannover wechselte und diesen Wechsel für die wahrscheinlich beste Entscheidung ihres Lebens hält, weil sie „den Frieden in sich und ihre persönliche Stimme gefunden hat“,  gelingt es sofort, das Publikum wieder zu vereinnahmen. Da traut sich niemand zu husten. Dass der Veranstalter am Eingang kostenlos Hustenbonbons abgibt, ist trotzdem eine gute Idee. Sogar im Programmheft steht, man möge bitte leise umblättern. Schubert wird fulminant beendet und den Gästen gelingt es gerade so, einen kurzen Applaus zwischen zu schieben, bevor Huangci energisch, fast brachial, Sergej Rachmaninow beginnt. Doch der bleibt nicht so gewaltig, sondern fällt in sich zusammen, je länger die Pianistin spielt, desto emotionaler wird es. Und dann genießt das Publikum – „flusch“.

Ein wunderschönes Konzert von einer hervorragenden Musikerin.

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