Buster Keaton ist kein Horn

„Schon seit 10 Jahren veranstalten wir unser Kinokonzert im Cineplex“, sagt Konzertdramaturg Frederik Wittenberg gestern Abend, um sich gleich im Anschluss beim Kinobetreiber zu bedanken. Und tatsächlich gehören diese Kinokonzerte zu den Highlights der Saison. Ich selbst bin jetzt im dritten Jahr gerne dabei. Diesmal wird Buster Keatons „The General“ unter der musikalischen Leitung von Stefan Veselka gezeigt, eine Stummfilmkomödie aus dem Jahre 1926, in dem es um den amerikanischen Sezessionskrieg geht. Die Musik stammt von Carl Davis aus dem Jahr 1987. Dass somit zwischen Film und Musik mehr als 60 Jahre liegen, erscheint unglaublich. Denn beides passt wie Faust auf Auge oder – man möge mir die Formulierung verzeihen – wie Arsch auf Eimer.

Der Lokomotivführer Johnny Gray meldet sich freiwillig zur Armee, letztlich hauptsächlich um das Herz seiner Liebsten zu gewinnen, die ihm direkt androht, dass er ihr ohne Uniform gar nicht mehr unter die Augen treten möge. Doch der Entscheider erkennt sogleich, dass Johnny als Lokomotivführer dringend gebraucht wird und der Militärdienst wird  Gray verweigert. Den Grund erfährt der schmächtige Lokomotivführer allerdings nicht. Er selbst macht vielmehr seine körperliche Konstitution dafür verantwortlich. Das ist schon sehr komisch, auf welche Art er versucht, trotzdem einen „Einberufungsbefehl“ zu erhalten, also jenen weißen Zettel, den alle anderen Freiwilligen für das weitere Procedere in die Hand gedrückt bekommen. Das Orchester, etwas ausgedünnt, doch auch um Banjo, Mundharmonika und Saxophon angereichert, unterstreicht die jeweilige Gemütslage des Protagonisten passend. Und dann wird dem armen Möchtegernsoldaten auch noch seine Lokomotive geklaut (the General, seine eigentliche Liebe), in deren Gepäckwagen sich zu allem Unglück auch noch seine Angebetete aufhält. Da muss natürlich die musikalische Dramatikabteilung ans Werk, die Streicher und die Pauke, das Fagott meldet sich dunkel drohend. Unter anderem mit einer Draisine wird die Verfolgung aufgenommen, doch stets geht etwas schief. Und natürlich merken die Verfolgten auch, dass da jemand hinter ihnen her ist, stellen Weichen oder lassen Gegenstände, Fässer und Holzbalken, auf die Strecke regnen. Johnny Gray ist recht unsortiert, was aber auch die Komik ausmacht, wie er da eine Kanone zündet, die dann auf sich selbst gerichtet ist und ihn nur deshalb verfehlt, weil die Lokomotive gerade eine Kurve fährt. Wie er mit dem Säbel hantiert, selbst eigene Kollegen gefährdet, um im nächsten Moment – quasi aus Versehen – einen Angreifer zu liquidieren. Als es zum großen Finale am Fluss kommt, müssen die Hörner ran. Denn da stehen sich Nord- und Südstaaten gegenüber. Qualmende Kanonen, Reiter, eine Lokomotive auf einer brennenden und schließlich einstürzende Brücke. Kein Wunder, dass der Film Unsummen an Dollars verschluckt hat.

Ein toller Film, der seinerzeit ein teurer Flop war und Buster Keaton die künstlerische Eigenständigkeit kostete. Seit den 60er Jahren ist sich die Filmwelt allerdings einig, dass das Keatons wohl bester Film war. Dazu eine hervorragende musikalische Untermalung. Ich wusste zwischenzeitlich gar nicht, ob ich die Augen lieber auf der Leinwand lassen oder dem Klarinettisten bei seinem kurzen Solostück zusehen soll. Ein schöner Abend.

Schreibe eine Antwort

Navigiere