„Ich musste einfach zugreifen“, erklärt Generalmusikdirektor Golo Berg bei der vorherigen Einführung ins Werk gestern Abend. Johannes Brahms steht auf dem Zettel beim 9. Sinfoniekonzert im Großen Haus – und das, wo doch Musica Sacra, das geistliche Festival vom 03. – 06.06.2022, seine Schatten vorauswirft. Brahms passt nun nicht zwingend zu Olivier Messiaen (katholische Hymne) und Felix Mendelssohn Bartholdy (protestantische Sinfonie „Reformation“). Den Solisten und führenden Geiger unserer Zeit, Frank Peter Zimmermann, bekomme man halt nicht immer. Und damit das Publikum den Köder auch nimmt, scherzt Golo Berg, dem auch die musikalische Leitung obliegt, dass man auch selbst entscheiden könne, welche Konfession musikalisch überzeugender sei.
Böse Zungen behaupten, dass das einzig Gute an Messiaens Hymne die Kürze des Stückes sei. Da, finde ich, tut man Komponist und Orchester unrecht. Der Anfang ist ruhig, emotional, und man kann sich, ob man nun selbst gläubig ist oder nicht, gut vorstellen, wie ein Mensch sich im Gespräch mit seinem Gott befindet. Damit man aber nicht bei diesem einnickt, gibt es ja noch den Paukisten, der im übrigen den ganzen Abend gut beschäftigt ist.
Man muss aber wohl einräumen, dass Frank Peter Zimmermann an der Geige, auch und gerade im Zusammenspiel mit dem Orchester, Brahms besonders interpretiert, mit etwas Gefühl, während die Bässe tupfen, und dann wieder schnell, dynamisch, energisch im Wechsel und in Harmonie mit dem Orchester. Ich ertappe mich immer wieder, wie ich auf die Fagotte achte, deren Klang ich einfach liebe. Aber alle machen einen ordentlichen Job, insbesondere Frank Peter Zimmermann, der als Solist natürlich vor eine besonderen Herausforderung steht, immerhin handelt es sich um eines der berühmtesten Werke der Violinliteratur. Das Publikum ist so fasziniert, dass es versehentlich nach dem ersten Satz klatscht, was freilich zu den größten Fehlern gehört.
Im zweiten Konzertteil kommt bei Mendelssohn-Bartholdy dann auch das Kontrafagott zum Einsatz, doch der Liebhaber dieses Instrumentes muss lange darauf warten. Mendelssohn-Bartholdy ist jüdisch geboren, konvertiert aber später und bekennt sich insbesondere im Luther-Choral „Eine feste Burg ist unser Gott“ zum reformierten Glauben. Man spürt bei dieser Musik die Energie, die dem Glauben innewohnt.
Insgesamt fand ich das Konzert allerdings nur mittelmäßig, die Musikauswahl nicht besonders ansprechend, und im Großen und Ganzen wirkte das Konzert ohne rechtes Herz abgespult.