Tanz in den Bach

Als sich der Vorhang hebt, sieht man nur ganz hinten, schwach beleuchtet, einen zusammengekrümmten Mann, der sich langsam und unsicher entfaltet. Wie ein Fohlen, dass nach seiner Geburt die ersten wackeligen Schritte macht. Dazu spielt das Sinfonieorchester „Komm, süßer Tod“, ein geistliches Lied, das Johann Sebastian Bach in Leipzig komponierte. Zwischen Geburt und Tod und dann die Ewigkeit, das ist der Rahmen für „Bach, Immortalis“, Gestern Abend war Premiere im Theater Münster.

Dabei kann man schon den Eindruck haben, dass es für Regisseur und Choreograf Hans-Henning Paar überhaupt keine Grenzen gibt. Bach ist ja, insbesondere in seiner sakralen Werken, nicht unbedingt bekannt für Tanzmusik. Doch Paar hat, unter musikalischer Leitung von Thorsten Schmidt-Kapfenburg, einen fulminanten, emotional bewegenden Tanzabend kreiert. Eine Reise durch die Zeit, die auch durch einen Koffer symbolisiert wird. Mal trägt eine Tänzerin diesen Koffer über die Bühne, ganz langsam, Mäuseschritt für Mäuseschritt, während sich um sie herum die anderen Tänzer drehen, springen, sich fallen lassen. Mal wird der Koffer aufgeklappt und in ihm ein Film gezeigt. Schwarz-weiß-Aufnahmen von Menschen, die längst tot sind. Auch von oben wird eine größere Leinwand heruntergelassen, auf die Filme projiziert werden. Dann unterbrechen die Tänzer kurz, kommen zusammen, schauen auf die Vergangenheit, um dann wieder Fahrt aufzunehmen. Wer sich drauf einlässt – und da kann man beim gestrigen Theaterpublikum von ausgehen – ist beflügelt. Dazu diese wunderschöne Musik, die Brandenburgischen Konzerte, Ouvertüren zu Orchestersuiten, Violinen, Cembalo und Klavier. Oben im ersten Rang stehend singt Mezzosopran Barbara Bräckelmann, Im Hintergrund bewegen sich Figuren in weiten Röcken, kniehohen Lederstiefeln und Barockkleidern. Vorne wird getanzt und dann reicht ein Herr galant einer Tänzerin seine Hand und schon vermischen sich Vergangenheit und Gegenwart. Natürlich gibt es Bezug zu Bachs Zeiten, aber eben mit ganz modernen Tänzen. Immortales bedeutet ewig, unvergänglich, unauslöschlich. So hätte man sich gewünscht, dieser Abend würde nie enden. Standing ovations für das gesamte Ensemble.

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