Wie schön, wie dynamisch, wie energiegeladen, wie kreativ – die neue Show im GOP mit dem Titel „Stylez“ unterscheidet sich so wohltuend von der letzten, weil man sich auf den Wesenskern, nämlich die Artistik beschränkt hat. Keine aus den Fugen laufende Moderation, keine Kasper, die verbal oder nonverbal über die Bühne schlurfen, sondern erstklassige Athleten und ein Bühnenbild, das seinesgleichen sucht, eine Skyline, vielleicht Manhattan, am Morgen, am Abend, in der Nacht, bei Regen. Das ist so gut gemacht, dass Alexander Aguliar als Bühnenbildner und Choreograph unbedingt genannt werden muss. Regen etwa peitscht nicht nur durch die Metropole, sondern dicke Tropfen klatschen an die Seiten der Bühne. Dabei gelingt es der Regie – DDC Entertainment – eine Verquickung von online und real auf so überzeugende Weise herzustellen, dass man schon selbst in Zweifel kommt. Regnet es wirklich drinnen? Ist der Tänzer drei Meter groß? Und wo ist die Tänzerin, die gerade noch als Abziehbildchen auf dem Monitor in die Arme des Hünen sank? Es erinnert ein wenig an den Umgang mit KI und die Sorgen und Chancen. Dazu kommen diese wahnsinnig schnellen Breakdance-Nummern von Timo Dettmar, BBoy Archi und Lennart Feser. Mal allein und mal in der Gruppe, dann scharen sie sich um einen Stuhl, wie bei der „Reise nach Jerusalem“ zanken sie sich um diesen, doch irgendwann sind sie gegenseitig so gestützt, dass man den Stuhl herausziehen kann. Sie tanzen, turnen, tummeln sich auf dem Boden. Dann ist Abend vor der Skyline, vor der plötzlich eine Bank steht. Darauf sitzen zwei Männer, eine Frau taucht auf und es entwickelt sich eine Eifersuchtsszene, die tänzerisch aufgelöst wird, freilich zu Lasten des zweiten Herrn, der sich auch Chancen ausgerechnet hat. Beeindruckt hat mich das Duo Prime, das so innig und emotional an den Strapaten durch die Lüfte schwebt, sich umeinander wickelt, tanzt ohne Bodenhaftung. Es sieht alles so leicht aus. Kateryna Gaidamanchuk, die „sie“ des Duos, zeigt später am Seil eine tolle Nummer, wickelt sich ein und ab, rollt sich hoch und runter, streckt und dehnt sich, während auf dem großen Monitor in ihrem Rücken Dampf kräuselnd hochsteigt. Eine Choreografie mit dampfendem Tee. Das ist einfach gut gemacht, fantasievoll, hochklassig. Dazu gibt es Gitarrenspiel mit bunten Lichtstrahlen, Diabolo, Handstand an und auf der Treppe auf nur einer Hand, klasse Nummern am blinkenden Cyr, jenem mannsgroßen Ring und vieles mehr, das ich hier nicht alles aufzählen will. Am schönsten ist es, das selbst zu entdecken. Ich bin, wie der geneigte Leser weiß, durchaus kritisch und nehme auch kein Blatt vor den Mund. Diese Show ist aber einen Besuch wert und untertreibt sogar beim eigenen Untertitel, in dem es nur heißt: „im Rausch der Bewegung“.
Tanz mit dampfendem Tee
Burkard Knöpker
Burkard Knöpker hat drei Jahre für die Münstersche Zeitung und ein Jahr für ein regionales online-Magazin geschrieben, außerdem ein Buch über Menschen in Münster sowie Poetry-slam und Kabarett-Texte. Mit Freund*innen hat er die Initiative für Respekt und Toleranz gegründet, in der Uniformträger mit Foto und Profiltext vorgestellt werden (www.der-mensch-dahinter.de). Leidenschaftlich fährt er lange Strecken mit dem Fahrrad, am Rhein, an der Elbe, an der Mosel, an der Donau, auf Kuba oder Sri Lanka, doch am liebsten durch Frankreich. So schreibt er auch über diese Touren. Kultur in Münster, Radfahren in der Welt.