Wenn man erstmal in Nancy ist, so dachte ich, radelt man halt zur Quelle, wo die Tour beginnen sollte. Näher heran ging es mit dem Zug jedenfalls nicht. Doch 120 Kilometer über Berg und Tal sind schon eine Herausforderung, insbesondere bei der sagenhaften Hitze, die auch in Frankreich herrscht. So eine Quelle ist in der Regel eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Der Laie erwartet ja irgendwie einen sprudelnden, Fontänen schießenden Beginn, jedoch kein modriges Erdloch. Immerhin ist dort an der Quelle in Pouilly-en-Bassigny ein großes Schild mit Verlaufskarte angebracht und ein Gemüsegarten extra für Radler angelegt.
Die ersten 150 oder 200 Kilometer sieht man von der Maas (frz. la Meuse) kaum etwas, außer dass sie häufig überquert wird. Es gibt in der Region aber auch kaum einen Ort, der die Maas nicht im Namen trägt, Val-de-Meuse, Romain sur Meuse, Brainville sur Meuse. Dabei sind die Franzosen vielleicht auf ihren namengebenden Fluß stolz, doch es radeln fast nur Niederländer und ein paar Deutsche an ihm. Selbst ein neuseeländisches Paar habe ich getroffen. Die Region ist sehr schön, ein weites Tal mit Steigungen und Gefälle, riesige, goldfarbene Stoppelfelder und die typischen, kleinen, französischen Ortschaften. Die Route führt über verkehrsarme Straßen aber leider heißt verkehrsarm nicht kein Verkehr. Manchmal donnert eben doch ein Lastwagen vorbei, wobei die französischen Bauern übervorsichtig mit ihren Traktoren und mit Strohballen hochgeschichteten Hängern fahren. Radler werden etwas belächelt, weil Fahrräder für Franzosen Sportgeräte sind und keine Fortbewegungsmittel . Dafür grüßen dortige Rennradfahrer im schnittigen Trikot mit Helm und Sonnenbrille nicht nur einander sondern auch ausländische Tourenradler mir Packtaschen. Das würden deutsche Rennradfahrer mit verbissenem Gesicht niemals tun, weil es schlicht unter ihrem Niveau ist. Eher zufällig mache ich in Domrémy-la-Pucelle Station, dem Geburtsort von Jeanne d`Arc, die bekanntlich 19jährig auf dem Marktplatz von Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Auf dem Zeltplatz von Domrémy lerne ich den 75jährigen Wilm aus den Niederlanden kennen, der zeitgleich Richtung Quelle unterwegs ist, genügsam mit kleinem Zelt, Kocher und Liegerad (von wegen E-Bike). Unter einem Baum sitzt die Comiczeichnerin Diana Kennedy, die hier mit ihrem Esel übernachtet. Diana, Wilm und ich verbringen einen kurzweiligen Nachmittag. Die beiden sind mit GPS wesentlich besser ausgestattet als ich. Meinen Kummer darüber ertränke ich in zwei Flaschen „Jeanne d`Arc Mirabellenbier“. Die Mirabelle ist ja die Frucht Lothringens, da bleibt es nicht aus, dass selbst Bier aromatisiert wird. Eigentlich bin ich ja wegen des Rotweins gekommen, doch der einzige Rotwein, den ich auf dieser Tour getrunken habe, war schlicht ungenießbar – gut, dass war auch schon in Belgien. Vorgenommen hatte ich mir einen Aufenthalt in Verdun, jener historisch bedeutenden Stadt. Da ist die Maas schon ein richtiger Fluss. Der offizielle Radweg touchiert die Stadt und es ist wie so oft bei mir: bin ich einmal in Fahrt, fällt das Anhalten schwer, der Fahrtwind kühlt, die Bewegung reizt, Verdun muss warten. Und so nähere ich mich den Ardennen, entlang verschiedener Kanäle. Lange fährt man jetzt direkt am Fluss, es gibt also keine Steigungen, eher ein geringes, kaum merkliches Gefälle zur Nordsee hin. das Tal wird enger, bewaldete Berge, die sich im Wasser spiegeln, bieten ein imposantes Bild. Überall habe ich nette, freundliche Kontakte. Einzig Lüttich schreckt mich etwas. Üble Gerüche, hektische Betriebsamkeit, viel Verkehr. Dabei gilt die Stadt als kulturelle Metropole und war mein Tagesziel. Spontan entscheide ich, mein Tagesziel nach Maastricht zu verlängern, 30 Kilometer über guten Untergrund entlang der Maas oder über einen gewundenen Fahrradweg durch künstlich angelegte Floristik, die in den nächsten paar Jahren sicher schön zuwachsen wird. Das niederländische Maastricht wirkt auf mich dann auch ganz anders als das belgische Lüttich, viel ruhiger und freundlicher. Ich hätte gerne dort übernachtet und mir die Stadt später noch einmal genauer angesehen. Nach einer Tagesleistung von über 150 Kilometern steht mir aber nicht mehr der Sinn nach dem Suchen nach einer Unterkunft. Ich habe mein Ziel ja auch erreicht und so geht es mit der Bahn über Heerlen und Herzogenrath zurück.
1 Kommentar
Dieses Treffen auf dem camping Muncipal in Domrémy gehört für mich zu den besten Begegnungen meiner Tour. Wenn ich richtig gelesen habe, bist Du wieder daheim?