Jever hat mehr zu bieten als Bier

Ich habe mich verliebt. In ein Auto, einen silber-mettalic-farbenen Ford K3, einen Zweisitzer mit roten Ledersitzen von 2003. Und das kam so: Wir waren vielleicht 4 Kilometer vom Bahnhof Wilhelmshaven geradelt, als dunkle Wolkentürme drohendes Unheil ankündigten. Schutz bot nur das Autohaus Voges, in dessen Verkaufsraum eben jener Wagen ausgestellt war. Ich nenne das Autohaus auch nur deshalb mit Namen, weil es sich für Radler zum Geheimtipp mausern könnte. Denn dort gibt es kostenlos Tee und Kaffee. Und meine Leidenschaft für das Fahrzeug war schon am nächsten Tag wieder soweit abgekühlt, dass ich auf einen erneuten Besuch locker verzichten konnte – ich bin schließlich Radler. Der Regen ließ dann doch relativ schnell nach, so dass wir an der Küste entlang bis Carolinensiel-Harlesiel fahren konnten. Das war ja der Rest, der uns noch von der Nordsee-Tour fehlte (siehe Sommerpause 2018). Ganz schön, aber auf Dauer auch ein bisschen langweilig, Schafe, Wasser, Matsch, Schaf-Kacke, E-Bikes. So machten wir nach dem Genuss eines Fischbrötchens schließlich einen Schlenker ins Landesinnere, Richtung Jever, wunderbar ausgeschilderte Wege ohne motorisierten Verkehr, 20 Kilometer, die sehr schnell erradelt waren. Wir hatten einen Termin mit der Bibliotheksleiterin Dr. Anja Belemann-Smith, gleichzeitig Lehrerin für Deutsch und Geschichte am örtlichen Gymnasium, in deren Garten ich auch das Zelt aufbauen durfte. So erfuhren wir gleich, dass Einheimische „Jefer“ sagen und nicht – wie die Werbestrategen des örtlichen Bierbrauers „Jewer“. Die promovierte Historikerin war es dann auch, die uns am Tag drauf wahre Schätze in der Bücherei des Mariengymnasiums Jefer zeigte, etwa die Lübecker Bibel, von der es weltweit nur noch 8 Exemplare gebe. Wir erfuhren von Fräulein Marien und dem Krieg zwischen Ostfriesen und Friesen und dem sagenhaften Weiterleben von Fräulein Marien, die ihre Wiederkehr seinerzeit angekündigt hat und die jeden Abend mit Glockengeläut gerufen wird. Wir erfuhren von den Oldenburgern, die gegen die Ostfriesen zur Hilfe kamen und bewunderten natürlich die Büchersammlung von Fürst Johann Ludwig von Anhalt-Zerbst. Nun, irgendwann radelten wir weiter, zunächst etwas desorientiert und voller kulturhistorischer Eindrücke, da kann man schon mal vom rechten Pfad abkommen. Wenn die Oldenburger schon den Friesen zur Hilfe kamen, so schien es nur billig, Oldenburg als nächstes Ziel anzusteuern. Aber ach, so recht wollte keine Stimmung mehr aufkommen und so bewegten wir uns zurück nach Wilhelmshaven, das waren aber auch noch etwa 30 Kilometer, eine wunderbare Strecke, ruhig durch Wälder, entlang des Ems-Jade-Kanals, einen Teil der Tour de Fries, Wildblumenwiesen in den wunderbarsten Farben.

Ich habe mir fest vorgenommen, Radfahren und Kultur noch mehr zu verzahnen.

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