Wer hat an der Uhr gedreht?

Nicht nur die Artisten drehen sich durch die Lüfte, erschaffen sich kurzerhand das Steuerrad der Titanic und lassen die ersten Takte von Céline Dions Megahit „My heart will go on“ erklingen. Alles zirkuliert bei der neuen Show „Spin“ im GOP, die gestern Premiere feierte. Selbst Regisseur und Moderator Karl-Heinz Helmschrot dreht am Rad seiner Aufgaben von Geschichten mitgenommener Männer, die gezwungen werden, ihr Sofa zu verlassen, emotionalen Gitarrensoli und Jonglage von Schirm, Ball und Hut. Dass er dabei gelegentlich etwas übertreibt, kann man gelassen hinnehmen. Denn bei der Show stimmt einfach ansonsten alles.

Tolle, berührende, mitreißende Musik, das meiste live mit Piano, Bass und Cajón – Kistentrommel klingt einfach nicht so gut – und ein Ensemble, das unglaublich harmoniert. Daneben gibt es tänzerische Darbietungen, die das Auditorium mitnehmen und was mich persönlich sehr beeindruckt hat, sind die artistischen Leistungen in Zeitlupe. Da kann man sich schon wundern, weshalb denn physikalische Grundsätze ausgerechnet für diese Künstler nicht gelten. Die Canavaltwins begeistern durch ihre Jonglage mit leuchtenden Kegeln. Das sieht erstmal klasse aus, wie die Kegel – ich glaube, es waren insgesamt 10 – ständig ihre Farbe ändern. Aber auch da habe ich mich gefragt, wie fangen die beiden im Dunkeln ihre Sportgeräte, und dann noch so sicher und schnell? Und Leonie Körner beeindruckt im Cyr, also jenem mannsgroßen Rad, das natürlich nicht fehlen darf, wenn eine Show schon vom „drehen“ handelt. Die junge Künstlerin macht das so berührend und das nicht nur am Boden, sondern später auch am Tanztrapez. Als emotionalen Verstärker gibt es dann noch Saxophon-Klänge, die bezaubern. Man hat den Eindruck, dass das Publikum ganz im hier und jetzt ist, spürt den stockenden Atem. Während Karl-Heinz Helmschrot die Buchstaben vom Moderation auf Quadern vereinzelt und immer wieder neu zusammensetzt, um ganz neue Worte zu kreieren, ist es Luzie Marschke, die sowohl im Luftring als auch am Vertical Pole eine klasse Figur macht, so anmutig und graziös. Sie bewegt sich auf schmalem Grad zur Erotik, nein, es ist erotisch aber im künstlerischen Sinn. Nach zwei Stunden fragen sich die Zuschauer: Wer hat an der Uhr gedreht?

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