wenn Elektra erklärt werden muss, läuft doch etwas falsch

Im Innenhof des Palastes von Mykene steht die blondgelockte junge Frau, die nicht so recht weiß, wohin mit sich. Sie setzt sich und putzt und erhebt sich. Es kann gut sein, dass sie ganz vom Rachegedanken erfüllt ist, denn immerhin ist ihr Vater Agamemnon nach der Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg von seiner Frau Klytämnestra und deren Liebhaber Ägisth ermordet worden. Aber vielleicht wartet die junge Frau auch auf ihre Vorstellung. Denn gestern gab sich Elektra die Ehre, eine Oper von Richard Strauß, der wegen seiner Nähe zum nationalsozialistischen Regime umstritten ist. Regie führte Paul-Georg Dittrich, die musikalische Leitung oblag Generalmusikdirektor Golo Berg.

Den Anfang machen die Mägde, kunstvoll als Kakerlaken mit langen Tentakeln herausgeputzt, was beinahe schon das Highlight der Inszenierung ist, sieht man von der gewohnt erstklassigen Leistung des Sinfonieorchesters im Graben ab. Die Mägde jedenfalls scheinen sich einig, dass Zeit für Normalität am Hof sei. Ganz anders beweint Elektra ihr Schicksal, immer zur Stunde, da ihr Vater gemeuchelt wurde. Gesanglich überzeugt Rachel Nicholls in der Rolle leider nicht. Aber sie hatte ja auch noch andere Aufgaben. So hat sie ihren Bruder Orest (Johan Hyunbong Choi) in Sicherheit gebracht und Rache geplant. Im Laufe der 140 Minuten Spielzeit ist m.E. allerdings zu viel, zu plakativ, zu offensichtlich das Abarbeiten an der Figur von Richard Strauß, der zu Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten das Präsidentenamt der Reichsmusikkammer übernahm. Die Nähe zum Nationalsozialismus ist sicher ein Thema. Doch in der Inszenierung gab es ständig Projektionen auf Leinwände, auf denen etwa Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte kartographiert oder ein brennendes Wohnmobil gezeigt wurden. Letzteres vermutlich in Anspielung auf den NSU und Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die ja darin verbrannt sind. Man kam kaum dazu, die drehbare Bühne zu bewundern, die mal links Richard Strauß als Dirigenten und rechts die Dresdner Oper zeigte, wenn ich nicht irre, dann wieder ein Blick in das Wohnzimmer, alles ein bisschen farblos gehalten bis auf den pinkleuchtenden Schriftzug „Tod der Tochter Iphegenie“. Die Frage, was deutsch sei, wurde durch viele Einspielungen thematisiert. Es war damit zu rechnen, dass Filmsequenzen von Putin gezeigt werden und genauso kam es auch. Und als ob das nun nicht schon reichte, erschien Garrie Davislim in der Rolle des Liebhabers der Mutter und Vatermörders Ägisth mit „Schröder-Maske“. Das ist schon beinahe peinlich. Da können einem die Sängerinnen und Sänger leid tun. Mir ist zwar auch niemand aufgefallen, den ich besonders loben müsste, doch das mag auch daran liegen, dass sich ein innerer Widerwille in mir aufbaute. Dass die Intendantin Dr. Katharina Kost-Tolmein am Ende des höflichen Applauses zum Nachgepräch lud, mag ehrbar erscheinen. Aber wenn die Oper erst erklärt werden muss, läuft doch etwas falsch.

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