Mit dicken Spinnweben behangene Skelette, schlurfendes Kettengeräusch und bohrendes Quietschen vom Band, Süßigkeiten auf dem Tisch: gestern lud das Theater mal wieder zur „musikalisch-literarischen“ Schauerstunde in den Theatertreff. Und alle sind gekommen, Hexen und Vampire mit Schuss- und Bisswunden, grauenhaft entstellte Fratzen mit unglaublichen Gebissen und Messer im Kopf. Das durfte man sich nicht entgehen lassen, schließlich wurde Grusel-Weltliteratur vorgetragen.
Kaum haben sich die Gruselfiguren um den langen Tisch drapiert, betreten schaurig tanzend die Theaterleute aus den rückwärtigen Katakomben den Saal, auf den Lippen ein Lied, das umgedichtet zum Rahmen der Untoten passt, und am Klavier begleitet von Thorsten Schmidt-Kapfenburg. Dass mit Kathrin Filip und Pascal Herington zwei Opern-Sänger dabei sind, verleiht dem Arrangement besondere Würde. Zwischen all den Geschichten über Schiffe und Matrosen, am Mast festgenagelte Köpfe, eingemauerten Katzen Zauberern, Gräbern, Skeletten und was dergleichen in der Gruselliteratur noch eine Rolle spielt, zwischen Guy de Maupassant, Edgar Allan Poe und Wilhelm Hauff, ist es vor allem Filip, die die Gäste am Einnicken hindert. Die Sängerin umrundet zwischendurch lebhaft schreitend und inbrünstig singend die lange Tafel. Zwar haben sich die Vortragenden im Saal verteilt und beugen so einer gewissen Ermüdung des Publikums vor, doch ganz will das eben nicht gelingen. Manches ist zäh und lang – da braucht es zwischendurch Wein, Weib und Gesang. Standesgemäß verabschiedet sich die Theatercrew im Seeräuber-Outfit mit „what shall we do with the drunken Sailor?“ Und als nach 90 Minuten Literaturerlebnis die Tische beiseite geschoben werden, wird deutlich, wie beweglich Untote tanzen können.
Mein Dank gilt Barbara Schöneberger und Wolfgang Türk für die liebevolle Konzeption und Einrichtung.