Mathematik ist keine Garantie für Ratio

Wenn Sarah Giese schildert, wie sie beim Arzt die Beine breit machen soll und dann ein dünner Stab eingeführt wird, wo die Zukunft wartet, wenn sie gleichzeitig die eigene Hand in einen Plastikbeutel steckt und darin suchend um sich greift, hat das trotz des dem Grunde nach traurigen Stoffes eine unbezwingbare Komik. Gestern Abend im Pumpenhaus war Premiere von „K“ nach dem Roman „33“ der norwegischen Schriftstellerin Kjersti A. Skomsvold. Die Regie teilten sich Sabeth Dannenberg und Jasper Schmitz.

Tragende Elemente auf der Bühne sind Regale mit Transfusionsbeuteln , -schläuchen und Luftballons als Lungen. Das Ganze in Form von Abakussen. Denn die Mathematikerin, die nur „K“ genannt wird, wartet auf eine neue Lunge, eine mit der sie zu Queens Welthit „Another one bites the dust“ tanzen kann, ohne außer Atem zu kommen. Immerhin ist sie trotzdem Lehrerin, versucht aber ihre Krankheit vor den Schülern klein zu reden. Das würde als Problemskizze ja nun wirklich reichen, doch gleichzeitig wünscht Frau K. sich ein Kind von ihrem Freud Ferdinand, der sich – gemütskrank – in Paris vom Balkon gestürzt hat.

Diese Fäden will nun Sarah Giese als Frau K. entwirren, verheddert sich jedoch zusehends und sammelt neue Fäden auf. Dabei bespielt Giese die komplette Bühne, versteckt sich hinter Transfusionsbeuteln, nutzt diese als Rahmen für abstruse Gedanken, und kuschelt sich in einen Hundekorb, der so viel mehr ist als bloßer Korb: Zuhause und Geborgenheit, Schutz, Spiegel und Versteck. Schließlich muss als Kind ein Tier herhalten, „damit der Übergang leichter wird“ sagt Frau K. und ist innig mit einem roten Blasebalg, den sie am Schlauch hereinführt. „Der Einfachheit halber“, ergänzt Frau K. „nenne ich das Tier „das Kind“. Und dann schlittert sie schnell immer tiefer in diese Idee, redet mit dem Blasebalgtier wie mit einem echten Kind, wird ungehalten, als „das Kind“ nicht sofort wunschgemäß reagiert. Und dann ist da plötzlich im Hotel dieser neue Mann, Samuel.

Sarah Giese macht das klasse, lässt sich auch nicht davon irritieren, dass sie für diese Rolle vielleicht etwas jung ist, sondern spielt das Solostück mit Witz, Energie und Ehrgeiz, nutzt die ganze Fläche und alle Requisiten wie etwa das Blasebalgtier, mit dem sie die neue Lunge aufbläst. Giese ist komisch aber nicht lächerlich. Alles an ihr ist fortwährend in Bewegung, dabei schafft sie es trotzdem, an der richtigen Stelle völlig still zu sein, „die längsten 10 Minuten meines Lebens“ , sagt Frau K. selbst.

Frenetischer Applaus.

Schreibe eine Antwort

Navigiere