Wenn Christoph Sietzen im zweiten Satz von Peter Eötvos Schlagzeugkonzert „Speaking Drums“ plötzlich am linken Bühnenrand auftaucht, das Orchester verstummen lässt und nacheinander die großzügig verteilten Becken schlägt, wenn er Marimbafon, Röhrenglocken, Pauke, Triangel und allerlei Schlagwerk bedient, das eher an Backformen und Kochtöpfe erinnert, dazu unartikulierte Laute ausstößt, dann befindet man sich vielleicht im 1. Sinfoniekonzert – gestern unter musikalischer Gesamtleitung von Generalmusikdirektor Golo Berg.
Da könnte man denken, dass das überwiegend lebensältere Publikum mit dieser Art von Konzert nichts anfangen kann, ja, dass eher geschockt und ablehnend reagiert wird, schließlich fehlt die bekannte Harmonie, die später am Abend noch eine tragende Rolle spielt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Da wird frenetisch gejubelt und sich früh am Abend schon in standing ovations geübt. Christoph Sietzten macht eine tolle Show neben seiner musikalischen Finesse als Musiker. Immer wieder sagt er einige Worte, raunt sie eher, stößt sie aus, manchmal jault er wie ein Hund, wenn wenig später das Orchester einsetzt, und eben doch so etwas wie Harmonie erklingt. Das Orchester weiß genau, wann es wie einsetzen muss, da kann der Schlagzeuger noch so wild und unbezwingbar wirken. Als er dann fertig ist, will das Auditorium ihn gar nicht gehen lassen. Am Marimbafon stehend mit 4 Klöppeln erzählt Sietzen von dem österreichischen Jodler, dessen Band ein paar Tage vor der Tour coronabedingt ausfiel und den er kurzfristig begleitete. Das Stück, das er dann als Zugabe spielt, kontrastiert, holt das Publikum runter, ist so ruhig und emotional, das hätte man gut noch einmal hören können.
Dabei hat Golo Berg den Konzertabend eigentlich um sie herumgestrickt: die Rede ist von Florence Price, die kurz vor Beginn des 20.Jahrhunderts in Arkansas geboren ist, die erste schwarze Frau, deren Sinfonien in den USA gespielt wurden. Die Musik ist harmonisch, schön, lieblich mit ein bisschen viel amerikanischen Pathos vielleicht. Man sieht die Büffel über die Steppen galoppieren, ein Pfeifen und man hört die Eisenbahn und man spürt den amerikanischen Nationalstolz. Florence Price hat überall ein bisschen geknabbert, also musikalisch versteht sich, an Dvorak oder Gershwin. Sie hat aber auch ganz eigene Wendungen eingebaut, und das Orchester lässt diese Frau für einen Moment auferstehen. Gut, dass sie gefördert wurde und sich letztlich doch durchsetzen konnte. Nicht alle ihrer Sinfonien sind erhalten geblieben. Das, was das Orchester spielte, war die Sinfonie Nr. 1 e-moll. Ganz zum Schluss waren dann die stehenden Ovationen mehr als gerechtfertigt.