Auf Wiedersehen Stefan Veselka

Man kann dem Publikum nicht vorwerfen, dass es nicht weiß, was sich gehört. Als Stefan Veselka, langjähriger 1.Kapellmeister am Theater Münster, nach gut 80 Minuten die musikalische Leitung von Smetanas „Mein Vaterland“ beendet, ist auch Veselkas Zeit in Münster vorbei. Das Auditorium erhebt sich und spendet anhaltenden Beifall beim 5.Sinfoniekonzert gestern Abend, nicht nur für dieses Konzert sondern für sieben Jahre seines Wirkens in Münster. Dabei ist „Má Vlast“ (Mein Vaterland) ein einzigartiges Beispiel für die Bedeutung klassischer
Musik im kollektiven Gedächtnis eines Landes. Die sechs Teile des Zyklus versinnbildlichen in Orchesterpracht wichtige Orte, Legenden und Begebenheiten der tschechischen Geschichte. Den meisten dürfte zumindest die Moldau ein Begriff sein, aus dem Schulunterricht oder aus der Werbung. Aber auch wenn dieser zweite Teil immer wieder herausgelöst wird, so ist er doch nur ein, wenn auch wichtiger Teil von „Má Vlast“. Denn es geht um Identität, die mehr ist als ein Puzzlestück. Schon der Beginn mit den beiden Harfen auf dem majestätischen Felsen von Vysehrad, heute ein Burgruine südlich der Prager Neustadt, lässt erahnen, was die Zuhörerschaft erwartet, immerhin ist das Orchester in voller Besetzung. Stefan Veselka, in Norwegen geborener Musiker tschechischer Eltern verrät bei der Einführung ins Werk seine Lieblingsstelle, als nämlich beim dritten Satz „Sarka“, beim Krieg zwischen Frauen und Männern um die Herrschaft in Böhmen, die Soldaten durch ein verabreichtes Schlafmittel zu schnarchen beginnen, ist es das Fagott, das durch
tiefe brummende Töne bei ansonsten sehr zurückhaltenden Instrumenten einsetzt. Und ich beobachte mich selbst, wie ich auf diese eine Stelle warte. Laut durch Tuba und Pauke, leise mit den Streichern, bunt, kraftvoll und emotional – man kann unmittelbar nachvollziehen, weshalb die Tschechen den Zyklus zum Symbol ihrer Nation machten. Stefan Veselka ist dann auch mit ganzem Körper im Einsatz, geht in die Knie, macht sich groß. Man spürt, was die Musik gerade für ihn als Exiltschechen bedeutet. Schade, dass er Münster verlässt.

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