Leichen auf der Zielgraden, das Ende vom SOAP-Ding

Jetzt sind in den ersten vier Folgen vom SOAP-Ding schon so viele unnatürliche Todesfälle geschehen, da braucht`s in der letzten Folge auch keine Änderung mehr, ja, die regelmäßigen Zuschauer warten geradezu drauf, manch einer mit Schaum vorm Mund, wen es als nächsten erwischen wird. Und wie wird es passieren? Erschossen, erwürgt, vom Hochhaus gefallen? – das wird man sehen. Wie immer ist es gestern Abend pickepacke voll, als „Cactus – junges Theater“ die Premiere der 5.Folge vom SOAP-Ding im Pumpenhaus zeigt.

Sind es sonst die Wächterinnen der Kellerbar in ihren schwarzen Pailettenkleidern, die in kurzen, abgehackten Sätzen erzählen, was bisher geschah, stehen nun sämtliche Schauspieler hilfreich zur Seite. Jeder steuert ein paar Sätzen bei und so erfährt der gemeine Zuschauer vom Güldenhof und seinen Bewohnern, vor allem von den Perlenbacher-Brüdern und ihren Beziehungen zueinander und zu den im Haus lebenden Mitmenschen. Drei Ekelpakete haben eigentlich schon gereicht, da taucht der vierte Sproß Harvin auf, der nur deshalb nicht Perlenbacher heißt, weil er außerehelich von einem anderen Erzeuger stammt.  Und dieser vierte Bruder, strenggenommen der dritte, will sich nun an seinen Geschwistern rächen für das vermeintliche Unrecht, das ihm angetan. Aufgewachsen im Waisenhaus ohne jeglichen Komfort und die elterliche Liebe. Und dann ist er auch noch dem Geheimnis des Güldenhofes auf der Spur, einem Haus mit magischen Kräften. Zum Glück – Zitat Pater Fratelli – hat Harvin „Hebräisch nur auf dem zweiten Bildungsweg gelernt“. So kann schlimmeres verhindert werden. Bevor es allerdings tatsächlich zur Entscheidung im Keller kommt, müssen die Perlenbacher-Brüder sich ausgerechnet mit ihrer Mutter auseinandersetzen, die aus Panama angereist kommt. Darüber freut sich nun niemand so richtig. Mama Perlenbacher hat auch tüchtig Haare auf den Zähnen. So ganz nebenbei erfährt das Auditorium, dass die „alte Dame“ Beraterin des panamaischen Innenministers ist und – daheim in Panama – gerade ein Nest mit Revolutionären ausmerzt. Untermalt wird das ganze noch durch ein Telefongespräch mit Mittelamerika, wunderbar flüssig auf Spanisch, dominant und klar und ein bisschen emotional. Auch Mütter sind nur Menschen.

Auch die fünfte und letzte Folge hat alles, was in eine Soap hineingehört, Mord, Totschlag, Herzschmerz, Blut. Allerdings ist die Geschichte intelligenter angelegt, was manchmal auch ein Fluch sein kann. Denn so ganz auf das Soap-Niveau kann sich das Autorenteam um Christoph Tiemann nicht dimmen. Es geht, bei dem Versuch eine logische Erklärung plausibel sichtbar zu machen, leider etwas die Spritzigkeit verloren, die vor allem die ersten Folgen noch so ausgezeichnet hat. Trotzdem will ich das natürlich überhaupt nicht klein reden. In einer fast 10-stündigen Gesamtspielzeit haben Schauspieler, Autoren und Regisseure Grandioses vollbracht. Sie haben mit Witz und Spielfreude, mit Energie und Liebe, mit Hingabe und Fantasie etwas geschaffen, das den Menschen nachhaltig in Erinnerung bleiben wird und das – so mag man hoffen – dem ein oder anderen den Horizont zum Theater generell eröffnet.

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