letzte Ausfahrt rechts

Ob eine verzweifelte Mutter ihr Kleinkind an der Raststätte vergisst, ein Haufen heiliger Schwestern am falschen Platz nach der Autobahnkirche sucht oder der Schwulentreff für gefüllte Papiertaschentücher sorgt, es ist bunt und es ist das Leben, was das Theater X da auf die Bühne gebracht hat. Heute Abend zum letzten mal im Begegnungszentrum an der Meerwiese: „Letzte Ausfahrt rechts – eine Rastplatzgeschichte“ von Alexander Becker, der selbst Regie geführt hat.

Was zuerst auffällt, ist diese wunderbar authentisch gestaltete Bühne. Ein Dixie-Klo, echte Parkplatzschilder, Pilone und Markierungsleuchten, dazu linke Hand ein Imbiss mit reichlich desillusioniertem Personal. Es dauert etwas bis die Menschen ihre Geschichten erzählen, Geschichten von Einsamkeit, Flucht und enttäuschter Liebe. Dazu braucht es den Zeitungsreporter Malte Albers, der herrlich naiv, doch mit Liebe und Engagement Storys für sein Blatt schreiben will. Fast wirkt es, als würde er das Panzereis mit dem Bunsenbrenner auftauen. Da ist Leonard, der Mann für die Sauberkeit auf dem Rastplatz, der schon vor Vorstellungsbeginn mit dem großen Besen am liebsten die Menschen in den Müll fegen würde. Er ist es, der Malte später erklärt, dass es die kleinen Geschichten sind, die wichtig sind, uns rühren und wert, erzählt zu werden. Geschichten wie die der Rose. Ein einsamer Herr trinkt auf dem Rastplatz Tee „Darjeeling mit einem Hauch Bergamotte“, als plötzlich eine Dame mit einer roten Rose an seinen Tisch kommt, anfangs scheu und zurückhaltend, erzählt sie von ihrem Schicksal, dem verstorbenen Mann und dem entfremdeten Sohn. Dass sie regelmäßig Rosen dort ablegt, wegen ihrer Erinnerung genau an diesen Ort. Und auch der Herr beginnt zu reden von seiner Ehe und dem Scheitern. So entwickelt sich Nähe und eine eigene Geschichte, deren Fortgang man sich denken kann. Immer mehr Geschichten gibt es wie bei einer Farbpalette, auf der noch die Pastelltöne hinzukommen, unterbrochen nur von Demos für mehr Pausen, saubere Luft und Frauenrechte oder den Fanclub für die Schlagersängerin Sarah Bride. Schön auch, wie Antara, die Küchenhilfe sich an Reporter Malte heranschmeißt, mit ihrem herrlichen Dialekt und dem unnachahmlichen Augenaufschlag. Das wirkt schon alles sehr trashig, vor allem, als der Rastplatz auch noch ausgezeichnet werden soll, weil die Örtlichkeit so inspirierend sei. Ach, hätte der Chef doch nur nicht die Demonstranten weggeschickt, denn Menschlichkeit ist ein Wertungspunkt. Da kann es nur heißen: „Schnitzel für alle“. Dass nun zum Schluss mit dem selbstverliebten Aktionskünstler „Tomasch“ nochmal die Temperatur gesteigert wird, das muss man erleben.

Witzig, leidenschaftlich, phantasievoll – großes Kompliment an die Amateure vom Theater X.

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