Urlaubsbroschüren auf der Flucht

Zum letzten mal hieß es gestern: „Bonn ist eine Stadt am Meer“. Wenn die Behauptung sich bei näherer Betrachtung der geografischen Gegebenheiten noch als zumindest gewagt vermuten lässt, kann man sie doch nach Svenja Viola Bungartens Groteske im Kleinen Haus eher einordnen. Regie führte Simone Blattner.

Das Touristenpaar Vero und Uwe S. tauscht mit den Flüchtlingen Vega und Ulvi S. die Identität bis hin zur Fettleibigkeit, nicht ganz freiwillig, zumindest was die Touristen angeht. Im Kern geht es darum, dass wir alle Menschen sind und alles irgendwie austauschbar. Die Schauspieler*innen verdienen sich durchweg gute Noten, vor allem Sandra Bezler als Fregattenkapitänin füllt das Stück mit Blut. Wie sie da steht mit ihren künstlich verlängerten Armen, mit bemüht männlichem Timbre in der Stimme wie Käptn Iglu, unglaublich schnell lange Textpassagen rezitiert. Und selbst die Fregattenkapitänin, freilich eine Anspielung auf die Seenotrettung und die deutsche Kapitänin Carola Rackete, erkennt auf einem Flüchtlingsboot Menschen, die aussehen wie ihre Eltern. Überflussgesellschaft, laufende Schokoriegel und dann wieder Menschen, die nichts haben und mit Metalldetektoren suchen. Flüchtlinge, die da herkommen, wo andere Urlaub machen und auch in Kostümen stecken, die Hochglanzurlaubsbroschüren nachempfunden sind. Mir ist das alles zu plakativ, zu bemüht und gewollt. Mit Bungartens Debutstück „Tot sind wir nicht“, das 2018 ebenfalls für das Kleine Haus inszeniert wurde, kann „Bonn ist eine Stadt am Meer“ nicht konkurrieren. Der freundliche Applaus dürfte in allererster Linie den Schauspieler*innen gegolten haben.

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