100 Jahre Sinfonieorchester Münster

Wenn es einen gibt, den man in diesem Jahr ganz besonders feiern muss, dann ist es der fast in Vergessenheit geratene Fritz Volbach, Münsters ersten Generalmusikdirektor, der heuer vor 100 Jahren das Orchester Münster gründete und damit die Stadt ein Stück weit den Schrecken des Ersten Weltkrieges entfernte. Auch die Musikhochschule Münster und die Westfälische Schule für Musik feiert dies Jubiläum. Jedenfalls ist es das dem Orchester Münster wert, Fritz Volbach mit zwei von ihm eigenen Kompositionen zu ehren.

Selbst Münsters heutiger Generalmusikdirektor Golo Berg konnte mit dem Namen Fritz Volbach nichts anfangen, bevor es an die Recherche ging. Gemeinsam mit Musikdramaturg Frederik Wittenberg bringt er dem Publikum in der vorherigen Einführung den Dirigenten und Komponisten näher. Dabei würdigen die beiden die besondere Leistung des Musikers, können aber auch nur Mutmaßungen anstellen, weshalb er fast gänzlich in Vergessenheit geriet. Dafür besteht das vierte Sinfoniekonzert aus Volbachs Sinfonischer Dichtung „Es waren zwei Königskinder“ und später nach der Pause aus der kompletten Sinfonie h-Moll, Volbachs einziger Sinfonie übrigens Und das ist richtig schöne Musik. In der Märchenvertonung zu Beginn geht es eben um zwei Königskinder, die einander so lieb haben, aber nicht zusammen kommen können, weil das Wasser so tief ist. Die Musik gibt all die Verzweiflung, Dramatik und Trauer wider, Streicher und Posaunen bis die Harfe einzelne, letzte Luftperlen aus dem kleinen Körper des Prinzen an die Wasseroberfläche steigen lässt und schließlich ein langer Klarinettenton das Ende verkündet. Und doch war es in der Musik von Fritz Volbach so, dass die Liebe stärker war als alles andere und die Komposition nicht mit dem Tod des Jungen endet. Oder wie Golo Berg erklärte: „Fritz Volbach liebte das Schöne in der Musik“

Mein persönliches Highlight ist aber der türkische Komponist Fazil Say mit seinem Konzert für Violine und Orchester „1001 Nacht im Harem“. Großartig spielt Friedemann Eichhorn an der Violine, wie er da die Lippen schürzt, die Mundwinkel hängen lässt, mit den Beinen wippt und immer in Blickkontakt mit dem Dirigenten Golo Berg, zupft, streicht oder auf den Korpus klopft. Dazu ist das Orchester um einige türkische Schlaginstrumente angereichert, was dem Ganzen einen stark orientalischen Anstrich gibt.  Die Violine ist dabei Scheherazade, die der Sage nach am persischen Königshof lebte und den Herrscher durch immer neue Geschichten davon abhielt, Jungfrauen zu töten. Diese Musik hört man zu selten in deutschen Theatern, dabei ist Fazil Say nicht nur ein renommierter und vielfach ausgezeichneter Musiker sondern auch eine schillernde Persönlichkeit, die schon mal mit der türkischen Justiz oder dem Muezzin aneinander gerät.

Nach der Pause folgten dann die vier Sätze der Sinfonie h-Moll, die sich zu Beginn an Beethoven erinneren, so lebhaft und trotzig, später dann eher an Bruckner. Es ist eine angenehme melodische Sinfonie, die dann aber doch energisch wird. Ich schalte etwas ab, was aber auch gewollt erscheint. Schließlich ist das zutiefst romantische Musikverständnis von Fritz Volbach überliefert. Erst als im letzten Satz die Musiker mit all ihrer Energie das nahe Ende beschwören, bin ich wieder voll da. Ein beeindruckendes Konzert mit exzellenten Musikern. Da hat das Orchester sein Publikum zum 100. Geburtstag beschenkt.

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