die Rattenfängerin im Erbdrostenhof

Sie ist hübsch anzusehen in ihrem schwarzen, schulterfreien Hosenanzug mit Pailettenbesatz. Dennoch ist es in erster Linie ihr Spiel, dass selbst die Kulturveteranen im Erbdrostenhof in eine kleine Ekstase versetzt. Eine ganze Reihe von Renaissance-, Barock,- Sopranflöten bringt Dorothee Oberlinger zum klingen beim 3. Erbdrostenhofkonzert gestern Abend. Gekonnt begleitet wird sie dabei von Gregor Hollmann am Cembalo.

Hollmann spielt auch einmal allein, Mitte der zweiten Hälfte. Da moderiert er selbst an: „Ernst Bach, Patensohn von Johann Sebastian und später tatsächlich Hofkapellmeister von Weimar hat die Sonate A-Dur für Cembalo komponiert.“ Hollmann spielt sicher gut, nur ist das Stück etwas einschläfernd, insbesondere, wenn man an die fulminanten, dynamischen Flötenstücke von Oberlinger denkt. Oberlinger erklärt zu Beginn die Klammer des Abends, nämlich die „Grand Tour“, die Söhne von Adeligen im 17. Jahrhundert nach Italien führte, auf den Fersen der großen Opernhäuser, nach Spanien, Frankreich, England und schließlich wieder auf das Festland. Einfach grandios, wie sie da James Oswald interpretiert, ein Stück eigentlich erfunden für die schottischen Bagpipes, die sich die Zeit auf dem Kirchhof vertreiben wollten. Dabei klingt die kleine Flöte eben wie ein Dudelsack, ach, wie eine ganze Dudelsackbaterie. Das allein war das Eintrittsgeld wert. Meistens spielen Flöte und Cembalo gemeinsam, und es klingt manchmal nach Gauklern im Mittelalter, wenn das Cembalo die Umgebung bestimmt. Oberlinger spielt klar, klangvoll und fröhlich wie ein springendes Mädchen am Frühlingsmorgen, wenn sie Giovanni Spadi spielt, der davon schwärmt, wie schön es sei, Abschied zu nehmen, weil man doch bald seine Liebsten wieder in die Arme nehmen könne. Tatsächlich mischen sich jedoch traurige Töne hinein, und auch das Cembalo kann die Melancholie nicht ganz. verschweigen.

Immer wieder wechselt Dorothee Oberlinger ihr Instrument. Unglaubliche Fingerfertigkeit beweist sie dabei. Die Flötistin lässt es sich auch nicht nehmen, in besonderer Weise auf das letzte Stück hinzuweisen, Corellis Sonate F-Dur. „Die Sonate ist eine Art europäisches Gemeinschaftswerk“ erklärt Oberlinger. Die Noten seien in Amsterdam und London aufgetaucht, wo man das Stück wie Jazz in den Pubs gespielt habe, immer ein bisschen persönlich interpretiert. Und dann zeigt Oberlinger, dass sie auch echte Europäerin ist, legt Energie und Herzblut in die Musik, unglaubliche Töne entweichen der kleinen Flöte. Da wird es ganz ruhig im Barocksaal des Adelspalais. Kein Wunder, dass die beiden Musiker immer wieder herausgeklatscht werden, als der zweite Konzertteil programmatisch abgeschlossen ist. Zwei Zugaben müssen jedoch reichen. Ein schöner Abend.

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