durch Mark und Bein

Wenn sie im rotschimmernden Wickelkleid, kontrastierend zu schwarzen Schuhen und dunklem Pagenschnitt, auf die Bühne kommt, ist jedem klar, dass dies kein normales Konzert ist, in dem Konzertmeisterin Midori Goto die erste Geige spielt. Dann ist sie Solistin und gibt vielleicht – wie gestern – das Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 von Philip Glass zum besten – das 6. Sinfoniekonzert unter musikalischer Leitung von Stefan Veselka. Und das macht sie so schön, dass sie mit Blumen überhäuft wird. Glass ist ja kein Unbekannter beim Theater Münster, immerhin wird ja gerade die Oper „der Untergang des Hauses Usher gespielt ( http://erlesenesmuenster.de/mit-der-horror-oper-ins-wochenende/ ) Manch einem gerät Glass allerdings zu wenig abwechslungsreich und man hätte wohl gut 2 Sätze streichen können. Mein persönlicher Geschmack ist das nicht, ich empfand das Violinkonzert auch in der Länge für ausgewogen, eben auch, weil es mal anders war. Man muss sich darauf einlassen.

Aber im Beethoven-Jahr beginnt eben alles mit dem alten Meister, auch wenn es diesmal nur eine Ouvertüre ist, nämlich die zu CORIOLAN, einem Schauspiel von Heinrich Joseph von Collin. Erstmals hat dessen Freund Ludwig van Beethoven ein ganzes Drama musikalisch in 8 Minuten verarbeitet. Das ist schon eine unglaubliche Leistung. Der Sage nach hat der Herrscher Coriolan willkürliche Tobsuchtsanfälle bekommen, was sich freilich in der Musik widerspiegelt. Natürlich nimmt die Geschichte einen tragischen Verlauf über die Vertreibung aus Rom und das Gnadenersuchen der Ehefrau bis zum Suizid am Ende, was durch Beethovens atypisches Ende, dem leisen Ausklingen der Musik, symbolisiert wird. Zwischendurch gibt es reichlich Verwerfungen und das Ganze – wie gesagt – in 8 Minuten.

Nach der Pause folgt ein Mammutprojekt, nämlich die Faust-Sinfonie von Franz Liszt in großer Besetzung. Ganz hinten steht der Opernchor, etwa 30 Männer, die erstmal gar nichts machen. Ich ertappe mich dabei, wie ich auf deren Einsatz warte, doch bis 5 Minuten vor Ende macht es nicht den Eindruck, als wollte der Chor überhaupt mitwirken. Stattdessen wechseln sich Bratschen und Geigen ab, schön, wie sie da einen Dialog führen, wie Bläser und Pauke einsetzen. Fausts Leidenschaft und das ewig Suchende des Wissenschaftlers, eine unruhiger, unsteter Geist, der für unruhige, aber kraftvolle Musik sorgt. Dann Gretchen im zweiten Satz, auf Ruhe und Ausgleich bedacht. Aber das hält nicht lange an, im dritten Satz, Mephistopheles, gibt es eigentlich nur Versatzstücke des ersten Satzes, Faust verzerrt, eine Persiflage. Und dann endlich, spät aber umso eindrucksvoller meldet sich der Tenor Martin Koch von der Kölner Oper, singt vom ewig Weiblichen, das lockt. Stimmgewaltig wiederholt der Opernchor, was einem durch Mark und Bein geht. Bis zum letzten Moment haben sie gewartet und jetzt zieht es einem den Boden unter den Füßen weg. Eine tolle Leistung.

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