Mittwochs muss der Emil zum Pränatalballett

Pickepacke voll war das Kreativhaus am gestrigen Abend. Kein Wunder, denn immerhin hatte sich Tina Teubner angesagt, eine Kabarettistin, die auch an Ukulele, Geige und Rotweinglas eine gute Figur macht. Begleitet wurde sie von ihrem kongenialen Pianistin Ben Süverkrüp. Zusammen sind die beiden sich einig: „Wenn Du mich verlässt, komm ich mit“. Der Titel ist Programm. Die beiden sind ein so gut eingespieltes Bühnenpaar. Teubner, die zwischendurch auch ein Sägeblatt zum klingen bringt, braucht für das Programm nicht nur einen hervorragenden Klavierspieler, sondern auch jemanden, der sich zurücknehmen kann, der herhalten muss als Sparringspartner.

Denn wie es aussehen kann, wenn das Publikum diesen Part übernehmen muss, zeigt die Rheinländerin gleich zu Beginn. Sie fragt eine Dame in der ersten Reihe nach deren Namen und Wohnort – und schließlich nach deren Gewicht. Peinlichkeit wird nur demonstriert, nicht ausgelebt. Und schon nimmt Teubner die „Frühförderung“ aufs Korn, Eltern, die die Fortschritte ihrer Kinder vergleichen. Wer hat sich wann das erste mal vom Rücken auf den Bauch gedreht? Das geht soweit, dass der „Emil mittwochs zum Pränatal-Ballett“ muss. Diesen ständigen Wechsel zwischen Gesang, Instrumenten und Geschichten bei Rotwein am Stehtisch beherrscht Tina Teubner bis in den letzten Winkel des Machbaren. Ihre Ausführungen über die Gesellschaft beendet sie stets mit einer lakonischen Frage an den armen Ben am Piano: „Wie kompensierst Du Deine sexuelle Frustration?“ oder „Bist Du medikamentös richtig eingestellt?“ Ben muss eigentlich gar nichts sagen, genaugenommen darf er auch gar nicht reden. Es geht ums altern und das jammern, immer wieder die Vergleiche mit der Jugend, den jungen Menschen, die so leichtfüßig vor der roten Ampel auf der Stelle joggen. „Hätte Gott gewollt, dass wir ständig durch den Park rennen, hätte er dort mehr Löwen aufgestellt“. Frauen, die sich beklagen, dass sie über 50 für Männer unsichtbar sind. „Meine Damen, ich habe da einen guten Rat für Sie: wenn Sie 20 Kilo mehr wiegen, kommen die Männer nicht mehr um Sie herum.“ Das Programm von Tina Teubner ist eine Liebeserklärung an den Partner, der schnarcht, an das Leben, an die Unzulänglichkeiten, an das nicht Perfekte. Im Kontrast dazu steht dann Ben Süverkrüp, der überlegt, wie es gewesen wäre, hätte es die sozialen Netzwerke schon zu Mozarts Zeiten gegeben. „Habe soeben die 6. Sinfonie komponiert. Freu“. Ein musikalischer Spannungsbogen über Wagner, Mozart, ein Abba-Medley, John Barrys James-Bond-Theme, zwischendurch immer wieder die Erkennungsmelodie der Telekom. Das alles wahnsinnig schnell und komprimiert, nur kurz angespielt, auf dass man es gerade erkennt – eben perfekt – wie der Abend.

 

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